Die Entfuehrten
zurück.
»Au!«
»Na, so schnell kannst du es unmöglich gespürt haben«, sagte Mr Hodge. »Es tut nicht weh. Hier. Ich zeige es dir.«
Er nahm ihre Hand und drückte sie abermals gegen die Wand.
»Siehst du?«, sagte er.
»Ja«, sagte das Mädchen, doch Jonas hatte den Eindruck, dass sie einfach nur fortwollte. Sie folgte dem langen Jungen in die Höhle.
Jonas sah den Nächsten zu, sah, wie erpicht Mr Hodge darauf war, dass jeder von ihnen den Felsen berührte und jede Hand mindestens zwei, drei Sekunden dort verharrte. Es erinnerte ihn an eine Szene aus einem Film, an den er sich nicht mehr richtig erinnernkonnte. Er hatte ihn in der Schule gesehen, in NaWi . . . war es der Film über die schreckliche Epidemie gewesen? Ja, genau! Wenn die Wissenschaftler in ihr Labor gingen, wo all die tödlichen Viren unter Verschluss gehalten wurden, mussten sie vorher die Hand auf einen Scanner legen, um zu beweisen, wer sie wirklich waren.
Es konnte in der Höhle doch keine gefährlichen Viren geben, oder? Nicht, wenn der Eingang offen stand und die Luft frei zirkulieren konnte . . .
Plötzlich begriff Jonas, wo der Fehler lag.
»Katherine!« Er sprach leise und mit zusammengebissenen Zähnen, weil Mr Hodge zu ihm und den anderen herübersah, die den Hügel herabkamen.
Katherine wandte den Kopf. Vielleicht würde es einfach nur so aussehen, als hätte sie einen ungewöhnlichen Vogelruf gehört und wollte noch einmal genauer hinhören.
Jonas tat, als würde er stolpern und mit ihr zusammenstoßen.
»Das ist ein Handscanner!«, zischte er ihr ins Ohr. »Wie beim Scannen von Fingerabdrücken! Ich wette, sie überprüfen damit unsere Identität und vergewissern sich, dass wir wirklich die Babys aus dem Flugzeug sind. Egal, was du tust, fass auf keinen Fall den Felsen an! Tu einfach nur so.«
Er sah, wie Mr Hodge die Hand eines weiteren Jugendlichen an den Felsen drückte und die Handfläche dabei flach auf den Stein presste.
Jonas überlegte es sich noch einmal anders.
»Nein«, zischte er Katherine zu. »Lauf weg! Lauf zurück zu Mom und Dad. Sag ihnen, dass wir in Gefahr sind und dass sie kommen und uns retten sollen.«
Katherine schüttelte den Kopf. Sie hatte hektische rote Flecken in ihrem blassen Gesicht.
»Wie soll ich sie dazu bringen, mir zu glauben?«, flüsterte sie. »Nein, ich bleibe bei euch.«
Jonas überlegte, ob er seine Schwester nicht packen sollte, um sie zu seinen Eltern zurückzuschleppen und in Sicherheit zu bringen. Oder ob er nicht einfach selbst das Weite suchen sollte. Die Muskeln in seinen Beinen prickelten vor Anspannung, sie schrien förmlich danach, loszurennen! Sämtliches Adrenalin in seinem Körper schien sich dort versammelt zu haben. Es war wie der Moment beim Basketballspielen, wenn jede Nervenzelle in seinem Körper zu wissen schien:
Es ist Zeit für einen Ausreißversuch . . . Lauf los! Jetzt!
Aber was war mit den anderen? Mit jenen, die er und Chip nicht hatten warnen können und die nun so vertrauensvoll in die Höhle traten? Die in einfältigem Staunen zu Mr Hodge sagten: »Oh, Sie haben recht! Es ist wirklich kalt!«, und dabei tatsächlich kicherten?
Konnte er sie wirklich zurücklassen?
Vor ihm rückten sie immer näher an die Felswand und traten dann in die Höhle. Hinter ihm drängten sie vorwärts und schlossen ihn, Katherine und Chip zwischen sich und dem Höhleneingang ein. Selbst wenner sich jetzt dazu entschloss, wegzulaufen, war es nicht mehr möglich.
Das Mädchen vor Jonas trat an die steinerne Wand. Es war Andrea Crowell; Jonas erkannte sie von hinten an den Zöpfen. Sie drückte die Hand fest auf die Wand, legte nachdenklich den Kopf schief und wandte sich an Mr Hodge.
»Hat das irgendwas mit dem Oxidationsgrad zu tun?«, erkundigte sie sich.
Katherine drängte sich an Jonas vorbei und berührte hinter Andrea die Wand. Nur Jonas konnte sehen, dass sie den Felsen nicht wirklich anfasste, sondern zwischen ihm und ihren Fingern einen Millimeter Platz ließ.
Sie blieb lange so stehen und schob sich dann an Andrea vorbei, der Mr Hodge gerade erklärte: »Keine Ahnung. Ich bin kein Wissenschaftler. Ich habe die Erklärung mal gehört und es kann gut sein, dass es irgendwas mit dem, wie hast du es gerade genannt, Oxi- he, Moment mal, junge Dame, hast du auch den Felsen berührt?«
Er meinte Katherine, die sich gerade an ihnen vorbeischieben wollte.
»Das hat sie und zwar eine halbe Ewigkeit«, schimpfte Jonas los. »Bin ich jetzt endlich an der
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