Die Entfuehrung
vorankommen.«
»Klingt absolut vernünftig«, sagte Tibby Rose.
Alistair seufzte und zog an den Enden seines Schals. »Wir sind für überhaupt nichts ausgerüstet«, sagte er. »Wir haben keinen Proviant, kein Geld, keine Freunde, keine Mitreisegelegenheit ... Bist du sicher, dass du mich begleiten willst, Tibby? Sieh doch nur, was wir bisher schon erlebt haben, dabei haben wir noch nicht mal deine Heimatstadt verlassen.«
Tibby erwiderte seinen fragenden Blick mit Entschlossenheit. »Was soll denn das für eine Heimatstadt sein, in der ich nicht mal sicher durch die Straßen laufen kann?«, sagte sie. »Ich muss weg hier.«
Alistair nickte. »Ich bin sicher, dass Tante Beezer und Onkel Ebenezer dir helfen, sobald wir in Smiggins sind.Die Frage ist nur, wie kommen wir dorthin?« Er ließ die Hand ins kühle Flusswasser hängen und verfolgte die Strömung mit dem Blick. Das ständige regelmäßige Fließen beruhigte seine durcheinandergeratenen Gedanken. »Städte sollten wir wohl besser umgehen und so viel wie möglich nachts wandern ... Hmm ... Man fühlt sich mächtig frei und unbeschwert und bequem auf einem Floß. «
»Was?«, fragte Tibby, die damit beschäftigt war, ihre provisorische Karte auszumalen.
»Huckleberry Finn«, sagte Alistair. »Tibby, in welche Richtung fließt dieser Fluss?«
Tibby überlegte kurz und betrachtete ihre Karte. »Nach Süden«, sagte sie schließlich. »Er entspringt in den Koller-Alpen und mündet in den Eugenia-See am Fuß der Eugenischen Bergkette. Aber was hat Huckleberry Finn damit zu tun? Ist das nicht der Titel von einem Buch? Ich glaube, ich habe es bei Großtante Harriets Büchern gesehen.«
»Huck Finn ist ein weißer Mäusejunge, einer wie wir, und er tut sich mit einem schwarzen Mäusejungen zusammen, der seinem Besitzer davongelaufen ist. Er ist ein Sklave, nur, weil er ein schwarzes Fell hat. Ich habe nie verstanden, wie eine Maus eine andere zum Sklaven machen kann, nur wegen der Farbe ihres Fells.« Er rieb sich die Schulter, wo ihn der Stein getroffen hatte. Ihm fiel wieder ein, wie die spitzgesichtige Maus Rotbraune gerufen hatte. »Aber was ich meine, ist Folgendes: Huck und Jim reisen auf einem Floß einen großen Fluss hinunter. Schade, dass wir keines haben.«
Beide schwiegen. Das einzige Geräusch war das ans Ufer schwappende Wasser. Dann sagte Tibby: »Hör mal, ich könnte wahrscheinlich eines bauen.«
»Du?« Alistair richtete sich auf. »Aber wir haben doch kein Werkzeug und kein Baumaterial.«
»Doch, Material haben wir schon«, sagte Tibby. »Es gibt hier in der Nähe einen Bambushain – Bambus ist das perfekte Material für ein Floß; leicht vom Gewicht her, und es schwimmt gut. Wir finden bestimmt Lianen und Schlingpflanzen, mit denen wir die Stämme zusammenbinden können. Und was das Werkzeug angeht – wir können Steine nehmen und damit den Bambus auf die richtige Größe zerhacken.«
Alistair sah Tibby an. »Unglaublich, Tibby. Ich hab nur ein Floß erwähnt, und du kommst darauf, wie man es tatsächlich bauen kann.«
Tibby lächelte bescheiden. »Ich habe in einem Buch von Charlotte Tibby, der Forscherin, gelesen, wie man ein Floß baut, aber ich hätte niemals daran gedacht, wenn du mich nicht darauf gebracht hättest.«
»Also gut – an die Arbeit. Sag mir, was ich tun soll.«
Sie standen auf, überzeugten sich, dass die Luft rein war, und machten sich zu dem Bambushain auf, von dem Tibby gesprochen hatte.
»Wir brauchen ungefähr zwölf Bambusstämme«, entschied sie, »die alle einen ähnlichen Durchmesser haben.« Sie umfasste einen der Stämme mit den Händen. Er war etwa doppelt so hoch wie sie und so dick, dass sie ihn gerade umspannen konnte. »So wie der hier. Wenn du mit dem Bambus anfängst, dann suche ich nach etwas zum Zusammenbinden.«
Alistair stieg in ein flaches Uferstück des Flusses und fing an, flache, glatte Steine zu sammeln. Jedes Mal ließ er den Daumen an der Kante entlanggleiten, um zu prüfen, ob sie auch dünn war. Als er schließlich einen gefunden hatte, der ihm scharfkantig genug erschien, kehrte er damit zu den Bambusstämmen zurück. Die Arbeit, die zähen, faserigen Stämme zu zerteilen, war mühsam und schweißtreibend, und weil es ihn unter dem Wollschal am Hals juckte, wünschte er mehr als einmal, seine Mutter hätte ihm ein Erinnerungsstück geschenkt, das sein Fell nicht so zum Schwitzen brachte. Zum Beispiel eine Sonnenbrille.
Er hatte es geschafft, vier Stämme zurechtzuschneiden,
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