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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Watts
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den Weg hinunter zum Fluss.
    »Ich habe es nicht gewusst, aber es sieht so aus, als ob ich die einzige rotbraune Maus in Tempelton bin«, setzte Tibby das Gespräch fort. »Vielleicht stimmt ja mit mir etwas nicht, und das ist der Grund, warum Großvater Nelson und Großtante Harriet mich all die Jahre versteckt haben.« Sie lachte verbittert. »Oder vielleicht schämen sie sich für mich.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Alistair. »So sind sie mir gar nicht vorgekommen. Vielleicht haben sie sich nicht geschämt, sondern waren eher besorgt, wie die anderen auf dich reagieren könnten.«
    »In Smiggins gibt es wohl viele rotbraune Mäuse?«, fragte Tibby.
    »Ich bin die einzige, die ich je gesehen habe«, sagte Alistair. »Aber ich bin deswegen noch nie besonders angefeindet worden. Die Leute sind ein bisschen überrascht, wenn sie mich zum ersten Mal sehen, und in der Schulewerde ich manchmal veräppelt, aber noch nie hat mich jemand als Feind bezeichnet.« Er dachte über die abfälligen Bemerkungen der spitzgesichtigen Janice und des klobigen Snodgrass nach. »Was hat eigentlich das mit den Rebellen aus Gerander zu bedeuten gehabt?«, fragte er. »Ist Gerander nicht ein Teil von Souris?«
    »Es ist so eine Art Provinz südwestlich von hier. Das ist alles, was ich weiß.«
    Alistair schüttelte langsam den Kopf. »Ich verstehe gar nicht, was das mit uns zu tun haben soll«, sagte er. Schweigend gingen sie ein Stück weiter, dann setzte er hinzu: »Aber heute war alles so merkwürdig, dass es mich nicht mal erstaunen würde, herauszufinden, dass ich ein Rebell aus Gerander bin.«
    Tibby musste lachen. »Genau, und ich auch!«
    Und sie lachten immer noch, als sich der Weg zum Ufer hin verbreiterte. Der Strand war, wie Alistair erfreut feststellte, still und verlassen. Die hohen Binsen im Uferbereich wiegten sich matt in der Hitze, und die einzige andere Bewegung kam von Libellen, die über die Wasseroberfläche surrten. Hier, wo der Fluss nicht von Badenden aufgewühlt wurde, war er tief und klar. Beide bückten sich nach einem Schluck Wasser, dann ließen sie sich erschöpft auf den Boden sinken.
    »Ich habe immer noch keine Ahnung, warum ich in einem anderen Land aufgewacht und vom Himmel gefallen bin, und zwar auf die einzige andere rote Maus, die mir je begegnet ist«, sagte Alistair.
    »Da kann ich dir auch nicht helfen«, sagte Tibby Rose. »Und ich – aus dem einsamen Waisenmädchen, das ich war, ist auf einmal innerhalb von Stunden ein gefährlicher Feind meiner Landsleute geworden.«
    »Okay«, sagte Alistair, drehte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf den Ellbogen, »vielleicht sollten wir die großen Fragen auf später verschieben. Wir sollten lieber damit anfangen, unsere unmittelbaren Probleme zu lösen. Wir müssen rausfinden, wie wir von hier nach Schetlock kommen – möglichst, ohne noch mehr Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Irgendwelche Vorschläge?«
    Tibby setzte sich auf. »Erinnerst du dich an die Karte von Souris, die ich dir in der Bibliothek gezeigt habe?«
    »Mehr oder weniger«, sagte Alistair. »Möglicherweise habe ich ein paar Details vergessen, nachdem ich fast von den Königlichen Wachen gefangen genommen und dann von einer Bande blutrünstiger, Steine werfender Wilder verfolgt worden bin.«
    »Gib mir mal den Stock bei deinem Ellbogen.« Tibby nahm den Stock und zeichnete eine rautenförmige Form in den sandigen Boden zwischen ihnen. »Wir sind hier«, sagte sie und ritzte ein Kreuz in die Mitte der oberen Hälfte der Raute. »Östlich der Koller-Alpen, im Norden von Grantel.« Mit einem größeren Kreuz kennzeichnete sie die Hauptstadt von Souris. »Zwischen uns und Grantel liegt die Eugenische Bergkette.« Sie malte ein paar Dreiecke für Berge dazu. »Von Grantel müssen wir nach Süden an die Küste – hier hin.« Sie deutete auf die untereSpitze der Raute. »Das ist der Punkt, der Schetlock am nächsten ist.«
    »Wir wandern also einfach nach Süden«, sagte Alistair.
    »Genau.«
    Er betrachtete die Karte eine Weile. »Weißt du etwas über diese Berge, die Eugenische Bergkette?«
    »Ich glaube, sie sind ziemlich zerklüftet«, erwiderte Tibby, »wenn man nach den Konturen auf der Karte geht.«
    »Kann man auch außen herum?«
    »Klar. Dauert aber länger.«
    »Wäre wahrscheinlich klüger«, sagte Alistair. »Wir sind nicht gerade fürs Bergklettern ausgerüstet. Und selbst wenn es nicht der direkteste Weg ist, sparen wir sicher Zeit, weil wir schneller

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