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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Watts
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Rucksack trägst.«
    Sie bogen auf den schmalen Weg ein, der sich zwischen struppigen, zerzausten Büschen und krüppeligen Bäumen mit rissiger Borke dahinwand. Riesige Felsbrocken türmten sich wie überdimensionale Grabsteine in den Himmel. Ein paar widerstandsfähige Sträucher und dürre Gräser klammerten sich trotzig an die steilen Abhänge, während die höheren Regionen mit tiefen Spalten und senkrecht abfallenden Wänden kahl waren. Ein einsamer Berggipfel mit verschneiter Spitze überragte alles andere. Wie eine Klaue bohrte er sich in den Himmel: das Spitzfels-Massiv.
    Über Stunden, fast ohne ein Wort zu reden, stapften sie dahin, hoch und höher und immer höher, bis die Sonne am Himmel unterging. Alice, deren Schritte langsamer und schleppender geworden waren, je steiler der Berg wurde, erklärte: »Ich bin kaputt. Ich finde, wir sollten eine Stelle zum Übernachten suchen.«
    »Übernachten? Wir haben keine Zeit zum Übernachten«, erwiderte Alex, der allerdings auch etwas schwer atmete.
    »Aber die Entführer müssen doch ebenfalls rasten«, hielt ihm Alice entgegen. »Und sie haben Alistair bei sich, vielleicht sogar gefesselt, das macht sie doch bestimmt langsamer.«
    »Also von mir aus«, sagte Alex. »Sollen wir versuchen, bis zu der Höhle dort oben zu kommen?« Er deutete auf eine Öffnung in einer Felswand auf der nächsten Anhöhe. »Da sind wir geschützt und haben das Tal gut im Blick.«
    »Wäre schön, wenn es dort ein Federbett gäbe«, murrte Alice. »Ich weiß nicht so recht ... was ist, wenn da etwas drin ist?«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Schlangen. Spinnen.« Sie fröstelte.
    Alex verdrehte die Augen. »Oder Angsthasen-Mäuse«, sagte er. »Komm schon. Ich sehe mich vorher darin um.«
    Sie gingen weiter, und auch wenn Alice sicher war, dass ihre Beine sie keinen einzigen Berg mehr hinauftragen könnten, trieb sie doch der Gedanke an, dass jeder Schritt vorwärts ein Schritt war, der sie Alistair näher brachte. Als sie endlich bei der Höhle ankamen, ging Alex wie versprochen als Erster hinein. Sie war zwar feucht und dunkel, aber auch ganz still. Spinnen oder Schlangen waren nicht zu sehen. Also setzten sie sich in den Höhleneingang, verspeisten ihr unzureichendes Abendessen aus trockenem Brot und blickten über das Tal. Dann legten sie sich hin.
    »Glaubst du, dass wir Alistair morgen finden?«, murmelte Alice nach ein paar Minuten schläfrig. Sie rutschte hin und her und versuchte, auf dem steinigen Boden eine bequeme Lage zu finden.
    Aber ihr Bruder schlief bereits.
    Die beiden jungen Mäuse schlummerten ungestört, während die Dämmerung den Sonnenuntergang ablöste. Doch dann ging der Mond auf, und plötzlich war die Höhle erfüllt von Flattern und Flügelschlagen und von Hunderten schriller Schreie.
    »Igitt!«, schrie Alice entsetzt und hielt sich schützend die Arme über den Kopf. »Fledermäuse! Alex, wach auf! Hilfe!«
    »Ich bin wach«, kam Alex’ gedämpfte Stimme. Bei dem Gequieke der Fledermäuse war er kaum zu hören. »Lauf, Schwesterherz – ach du Schreck!« Er duckte sich, als Flügel seinen Hals streiften. »Bleib unten!«
    Sie versuchten, den Unmengen dunkler Schatten, die in den Nachthimmel hinausfluteten, auszuweichen, indem sie auf dem Bauch vorankrochen. Als sie am Eingang der Höhle ankamen, stürzte Alice los, wurde jedoch aufgehalten, weil Alex ihren Schwanz packte. Sie drehte sich um. »Alex, lass mich los«, schimpfte sie. Doch im dämmerigen Licht sah sie, dass er den Finger auf die Lippen gelegt hatte. Dann ließ er sie los und deutete den Weg entlang, den sie zuvor heraufgeklettert waren. Dort, im Schein des Mondes, gingen zwei Mäuse – eine war silbrig-grau, die andere pechschwarz.
    Alice und Alex zogen sich in den Schatten der Höhlenwände zurück. Das Paar kam näher.
    »Wenn wir in der letzten Stadt nicht zum Essen Pause gemacht hätten, müssten wir nicht diese lächerliche Abkürzung nehmen«, sagte der schwarze Mäuserich. Seine Stimme war in der stillen Nachtluft deutlich zu hören.
    »Ich habe eben Hunger gehabt«, hielt ihm die andere Maus vor. »Man kann doch nicht erwarten, dass ich mit leerem Magen Dienst tue.«
    »Mach das mal dem Boss klar«, erwiderte der Schwarze mürrisch.
    »Ach Horatius, sei doch nicht so ein Jammerbart«, sagte die silbergraue Maus und lachte schallend. »Außerdem musst du zugeben, dass das Omelett mit Ziegenkäse – einem besonders kräftigen Ziegenkäse – köstlich war.«
    Bei der Erwähnung

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