Die Entführung der Musik
Sache in Ordnung, aber dafür möchte ich etwas zum Ausgleich.«
Die Augen des Blaureihers verengten sich. »Wir schulden Ihnen nichts, Sie Unglücksbringer.«
»Nichts«, echoten zwei kleinere weibliche Blaureiher im Chor.
»Vielmehr schulden Sie uns etwas.«
»Trotzdem, so und nicht anders.«
Mudge war gerade dabei, in seine Shorts zu schlüpfen, doch bei dieser Erklärung riß er verwundert die Augen auf. »Schau an, man lernt doch nie aus. Vielleicht 'aben die ganzen Jahre in meiner Gesell- schaft schließlich doch was Gutes bei dir bewirkt, Kumpel. Das is das erste vernünftige Wort, das ich seit Beginn dieses verdammten Spa- ziergangs von dir 'öre.«
»Du, sei still!« schrie Jon-Tom. »Du warst in dieser Sache über- haupt keine Hilfe.«
»O ja, okay, okay!« Beleidigt wandte der Otter seinem Freund den Rücken zu. »Als nächstes wirst du noch die miserable Fahrerei auf mich schieben.«
»Das habe ich nicht gesagt«, protestierte Jon-Tom. »Habe ich das gesagt?«
»Gut.« Der Blaureiher breitete die Flügel aus. »Wir haben keine an- dere Wahl. Was wollen Sie?«
»Nichts für mich. Aber wir wollen diesen Prinzessinnen dabei hel- fen, nach Hause zurückzukehren, und dabei brauchen wir Unterstüt- zung.«
»Prinzessinnen?« Der Blaureiher blinzelte, vielleicht ein wenig ge- blendet durch die im Bug des Bootes versammelte Fülle von Gold und Chiffon. »Wie Prinzessinnen sehen sie mir eigentlich nicht aus. Keine Federn.«
»Schon recht«, entgegnete Seshenshe. »Ihnen fehlen die Manieren.« Einige Soldaten kicherten zustimmend.
Jon-Tom beeilte sich fortzufahren: »Man hat mir erzählt, an der Mündung des Karrakasdeltas gebe es eine größere Stadt namens Mas- hupro. Ich glaube, daß wir auf dem rechten Weg dorthin sind, aber hier gibt es nur wenige Anhaltspunkte. Die Dienste eines erfahrenen Führers wären äußerst willkommen.«
»Ich kenne Mashupro. Manchmal verkaufen wir dort Fisch und Handwerksarbeiten.« Er wandte den Kopf mit dem langen Schnabel nach hinten und rief: »Felgrin!«
Ein geringfügig kleinerer Blaureiher streckte den Kopf aus einem nahegelegenen Erdhügel. Mit ungeschickten Schlägen seiner fast fe- derlosen Flügel flatterte er herüber und landete am Rand des Sumpf- Buggys.
»Diese Wandalen wollen uns nicht helfen, wenn nicht einer von uns bereit ist, sie nach Mashupro zu führen«, erklärte der Blaureiher dem Neuankömmling.
Der andere Stelzvogel nickte mit ruckendem Schnabel. »Kein Prob- lem. Wenn ich wieder ein paar Federn bekomme, führe ich sie dort- hin.«
Der Wortführer der ihrer Federn beraubten Dorfgemeinschaft wand- te sich wieder dem hochgewachsenen Menschen zu. »Sie haben seine Antwort gehört. Machen Sie weiter.«
»Ich tue, was ich kann.« Jon-Tom wollte seine Mitreisenden anwei- sen, sich zurückzuziehen, stellte aber fest, daß sie schon Vorsichts- maßnahmen ergriffen hatten. Inzwischen kannten sie ihn gut genug, um nicht eigens zur Vorsicht aufgefordert werden zu müssen.
Nur leicht eingeschnappt begann er, über mögliche Liedtexte nach- zudenken. Besser Vorsicht walten lassen, ermahnte er sich selbst. Jeans und Stiefel waren hier nicht von nöten.
Als er schließlich zu singen begann, setzte Regen ein. Reiner Zufall, beruhigte er sich. Seine selbsterdichteten Verse über die Schönheit fliegender Vögel konnten unmöglich für den plötzlichen Regenschau- er verantwortlich sein. Leise grollte der Donner über das Sumpfland, Donner, der immer wieder dumpf knisterte, als wäre er von einem Polster umgeben.
Der Regen wurde immer weicher, und dann färbte er sich weiß. Es regnete Federn. Leise lächelnd spielte Jon-Tom weiter. Genau das er- hoffte Resultat, wenn auch die Methode ein bißchen merkwürdig war! Noch immer fielen Federn. Sehr viele Federn.
Tonnen von Federn.
Sie überzogen das Sumpfland. Lilien verschwanden unter Feder- schichten. Fast wurden die sich wild wehrenden Prinzessinnen darun- ter begraben. Unter Naikes Kommando schaufelten die Soldaten in großer Hast das Boot aus. Mudge wollte den Freund zur Rede stellen, doch jedesmal, wenn er den Mund öffnete, füllte dieser sich mit Fe- dern, und er mußte spucken.
In dem niederrieselnden Federgewölk konnte Jon-Tom kaum mehr singen. Es war ganz entschieden Zeit, den Banngesang ausklingen zu lassen. Angestrengt achtete er darauf, nur ja nichts zu singen, das auch nur im entferntesten an Feuer denken ließ.
Da erschien ihm ein Wind schon nützlicher, und das war ein The- ma, für
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