Die Entführung der Musik
zusammen und sah angemessen mitfühlend aus.
»Wahrlich.« Umagis Gesicht nahm einen Ausdruck würdiger Be- sorgtheit an, als sie die Vertreter der verwüsteten Dorfgemeinde be- trachtete.
Und nur zu schnell richteten alle ihre Aufmerksamkeit auf Jon- Tom.
»Hey, hört mal, es tut mir leid! Es hätte schlimmer kommen kön- nen. Ich hätte die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren können.«
»Kontrolle verlieren? Kontrolle verlieren!« Der Blaureiher starrte den Bannsänger durch die dicken Brillengläser hindurch an. »Und wie nennen Sie das? Schauen Sie doch, was Sie mit unserem Dorf ge- macht haben! Aber das können wir wenigstens wieder aufbauen. Schauen Sie lieber, was Sie uns angetan haben.« Damit hob er den halbnackten Flügel.
»Es wären noch mehr von uns gekommen, um Ihnen den Beweis Ih- rer niederträchtigen Handlung vor Augen zu führen, aber die anderen sind in noch schlechterem Zustand als wir, die Sie hier sehen. Ohne Federn können wir nicht fliegen, wenn wir nicht fliegen, können wir keine Fische fangen, und ohne Fische werden wir verhungern. Was können Sie zu Ihren Gunsten vorbringen?«
»Nur keine Panik.« Jon-Tom machte eine beschwichtigende Geste.
»Ich bin ein Hexer, ein Bannsänger. Sehen Sie?« Er schwang die Duar vom Rücken vor die Brust. Die versammelten Dorfbewohner betrach- teten das Instrument zweifelnd. Ein Jugendlicher schlug gereizt nach der Akkordwolke, die in der Nähe schwebte und neugierig klingelte.
»Ich bringe alles wieder in Ordnung, Sie werden schon sehen.«
»Ist es Ihre Bannsängerei, die für unseren gegenwärtigen unaus- sprechlichen Zustand verantwortlich ist?« fragte der Blaureiher un- gnädig. Sein Schnabel, bemerkte Jon-Tom, war scharf wie eine Ahle.
Mudge, der eine ungewöhnliche Höflichkeit an den Tag gelegt hat- te, als er sich des Drangs, wie verrückt zu kichern, unter Wasser ent- ledigte, tauchte zwischen einem Schilfbüschel auf und schwang sich leichtfüßig an Bord.
»Ach, reit da nicht drauf rum, Chef. Mein Kumpel bringt die Sache wieder in Ordnung.«
»Und wie bitte, wollen Sie das tun?« Der Silberreiher wirkte ge- ringfügig neugieriger und weniger gereizt als der Blaureiher. Er hob einen Flügel. »Wollen Sie unsere Federn wieder ankleben?«
Jon-Tom mußte einräumen, daß ihm kein alter Song einfiel, der im besonderen mit Federn zu tun hatte. Es gab eine Menge Bands, deren Name auf Vögel anspielte, von den Byrds über die Hawkwinds bis zu den Eagles, doch ihre Songs beschäftigten sich in der Regel mit we- sentlich weniger flatterhaften Dingen. Was selbsterdichtete Verse be- traf, so fiel ihm zu diesem Thema auch nichts ein. Das mußte er ge- genüber den ungnädigen Besuchern zugeben.
»Sie wußten genug, um uns unsere Federn wegzunehmen.« Ohne sein vertrautes rosafarbenes Federkleid sah der nahezu nackte Löffler, der auf dem Achtersteven hockte, wie die erbarmungswürdige Auss- chußware einer Grillhähnchenstation aus.
»Mir wird schon irgend etwas einfallen«, entgegnete Jon-Tom nachdrücklich.
»Das wollen wir hoffen!« Unter der Führung von Aleaukauna hat- ten sich ihm die Prinzessinnen in einer Reihe gegenübergestellt. Jede einzelne bedachte ihn mit einem wütenden Starren, das nach Jahren der Übung an hartnäckigen Höflingen von höchster Vollendung war. Gemeinsam sorgten sie dafür, daß er sich nur wenig besser als total mies fühlte.
»Ich habe gesagt, daß ich etwas tun werde, und das werde ich auch.« Nur habe ich nicht die winzigste Idee, was das sein wird, dach- te er bei sich.
Plötzlich wurde ihm bewußt, daß ein Unternehmen, das als einfache Wanderung im Gefolge eines rätselhaften Musikfragments begonnen hatte, sich in einem Maß ausgeweitet hatte, wie er es nie beabsichtigt hatte. Und in Anbetracht seiner früheren Reiseerfahrungen war das auch zu erwarten gewesen. Ergeben seufzte er auf.
»Wenn ihr mich jetzt alle einmal für eine Minute alleinlaßt, werde ich versuchen, es jedem recht zu machen!« Der unerwartete Ausbruch ließ sein Publikum verstummen... Ungefähr zehn Sekunden lang, denn danach überzogen ihn die Prinzessinnen von neuem mit Kritik, und die Vögel beschwerten sich noch heftiger.
»Die Federn als erstes, nehme ich an. Macht mir bitte mal Platz, ja?«
Noch immer erregt, zogen die Prinzessinnen sich zum Bug zurück und zwangen so die Soldaten, noch enger zusammenzurücken. Die Dorfbewohner schauten mißtrauisch zu.
In Jon-Toms Augen glitzerte es plötzlich auf. »Ich bringe die
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