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Die Entführung in der Mondscheingasse

Die Entführung in der Mondscheingasse

Titel: Die Entführung in der Mondscheingasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Tarzan.
    „Anzunehmen“, sagte Glockner.
    Maisl stieg in seinen Alt-Käfer. Der
Auspuff begann zu zittern. Erst drehte sich ein Rad, dann rollten alle vier. Ab
ging die Post — mit Tempo 32 zunächst. Aber Maisl erhöhte auf 40 und
schließlich auf 50 km/h.
    „Wir wechseln uns ab mit der
Beschattung“, erklärte Glockner seinem Töchterchen und Tarzan. „Jetzt übernimmt
Jansen, dann Kreuder, zum Schluß sind wir dran. Aber vorläufig halten wir uns
zurück. Wir folgen außer Sichtweite. Sonst wäre ein Konvoi unterwegs, und Maisl
müßte bescheuert sein, würde er nichts merken.“
    Die Verfolgung begann. Unentwegt
schwirrten Sprechfunk-Durchsagen im Großstadt-Äther.
    Die drei im Kleinbus sahen den Alt-VW
längst nicht mehr, wußten aber zu jeder Zeit, wo der gerade den Asphalt unter
die Reifen nahm.
    Auf dem Beifahrersitz neben Glockner
lag eine Straßenkarte. Ohne dem Sonntagsverkehr zuviel Aufmerksamkeit zu
entziehen, konnte er mit schnellem Blick Maisls Richtung feststellen.
    Der wußte offenbar, wohin er wollte.
Und schon nach zehn Minuten stand fest: Er bohrte via Hauptbahnhof.
    „In dem Gewurle dort“, sagte Glockner, „rechnet
sich Uckmann eine Chance aus. Und, zum Teufel, er hat sie.“
    „Sobald Maisl dort den Käfer verläßt“,
sagte Tarzan, „könnte ich mich an seine schiefgelatschten Absätze heften. Der
kennt mich nicht. Und wer achtet schon auf einen unter 18. Den Uckmann entdecke
ich bestimmt eher als er mich sieht. Für mein schnelles Auge verbürge ich mich.“
    „Vielleicht ist das gar nicht so dumm“,
meinte der Kommissar.
    Inzwischen hatte Kollege Kreuder
übernommen, folgte nämlich dem Käfer im Minimal-Abstand. Gerade, daß er nicht
dessen Stoßstange dellte.
    Jansen machte auf vornehm, hielt sich
nämlich zurück. Eben parkte er am Straßenrand. Als Glockner vorbei fuhr, hängte
sich Jansen hinter ihn.
    Die Vermutung traf zu.
    Am Hbf lenkte Maisl seine Rostlaube auf
den Parkplatz und hielt.
    Zwei Reihen hinter ihm stellte Glockner
den Motor ab.
    Tarzan stand schon an der Tür, streckte
aber die Hand aus.
    „Wenn Sie mir Ihren Hut leihen, Herr Glockner,
sehe ich aus wie ein Penner. Und falle noch weniger auf.“
    „Ich finde ihn schön“, meinte der
Kommissar und stülpte den Kaltluftabweiser über Tarzans braune Locken. „Wir
kommen dir nach. Aber achte nicht auf uns.“
    Tarzan sprang ins Freie. Bis zu den
Brauen zog er sich den Anglerhut ins Gesicht. Das sah ziemlich beknackt aus.
Aber man muß auch Opfer bringen, dachte er, wenn’s um das Gemeinwohl geht.
Immerhin stehen sechs Millionen auf dem Spiel — und Uckmanns Festnahme.
    Maisl latschte in die Bahnhofshalle. Er
hatte den Beutel geschultert. Den beulten die spitzen und sperrigen Geräte aus
wie querliegende Knochen. Aber die Kontur (Umrißlinie) eines Schlüssels
hob sich nicht.
    Im Gedränge schloß Tarzan dicht auf.
Heute war das Gedränge dünner als sonst. Hauptsächlich Gastarbeiter, die nicht
wußten, was sie sonn- und feiertags mit sich anfangen sollten, hingen herum.
Sie palaverten (endlos schwatzen) zwar miteinander. Aber es war nicht
dasselbe wie zu Hause auf dem Dorfplatz.
    Maisl strebte zu den Schließfächern.
    Aha! dachte Tarzan.
    Maisl wählte die letzte Reihe, wo er
den Blicken entzogen war.
    Tarzan spähte um die Ecke und unter der
Hutkrempe hervor.
    Maisl ließ die Unterlippe hängen. Er
hatte das Fach mit der Nummer 1066 geöffnet. Lieblos stauchte er den gefüllten
Beutel hinein. Die Werkzeuge klirrten — metallisch vor allem, denn nur ein paar
Griffe waren aus Holz.
    Maisl drückte die Tür zu, warf ein
Markstück in den Schlitz, zog den Schlüssel ab und wandte sich zum Gehen. Er
kam an Tarzan vorbei. Aber der zeigte ihm nur den Rücken und hatte den Kopf in
ein leeres Schließfach gesteckt.
    Maisl bewegte sich zum Hbf-Postamt, das
bekanntlich auch sonntags geöffnet ist. Er setzte sich an einen der Tische, wo
billige Kugelschreiber an langen Ketten befestigt sind, zog einen Briefumschlag
aus der Jackentasche und fand auch eine Briefmarke in jener. Wie ein Scheibchen
Putenbrust legte er sich das Postwertzeichen auf die Zunge. Zum Glück schluckte
er nicht, sondern fügte dem Klebstoff nur Spucke zu, um dann das Kuvert zu
frankieren (Postsendung freimachen). Er steckte den Schließfachschlüssel
hinein und klebte zu.
    Erst jetzt malte er die Anschrift auf
den Umschlag, was nicht einfach war, weil der innenliegende Schlüssel sehr
störte. Maisl mußte ihn hin und her schieben, um nicht

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