Die Entführung in der Mondscheingasse
Hunderter, von denen einer etwas eingerissen war.
„Was sollten Sie tun?“
„Das Werkzeug sollte ich aus seiner
Wohnung holen. Die Hausverwalterin würde mir öffnen. Er sagte, er hätte ihr Bescheid gegeben. Aber vor allem sollte ich das mit dem
Schlüssel machen.“
„Er gab Ihnen den Auftrag, den
Schließfachschlüssel per Brief an den Tyroler Hof zu schicken und...“
„Nee, das meine ich nicht. Das war ja
erst, nachdem ich das Werkzeug ins Schließfach getan hatte. Ich meine den
Schlüssel, der bei dem Werkzeug in der Schublade lag. So ein schmaler,
länglicher...“
„Ich kenne ihn“, wurde er von Glockner
unterbrochen. „Befindet er sich noch bei dem Werkzeug?“
„Im Schließfach? Nee, Herr Kommissar.
Uckmann gab mir den Auftrag, den Schlüssel aus dem Wagen zu werfen. An einer
bestimmten Stelle. Und zwar in der Kant-Straße, wo der Verkehr jetzt einbahnig
verläuft, weil sie die Fahrbahn aufgerissen haben. Da kommt man — wissen Sie — an
einem Bretterzaun vorbei. Ganz dicht. Dahinter ist ein Kinderspielplatz — oder
so. Jedenfalls sollte ich den Schlüssel über den Bretterzaun werfen. Ohne
anzuhalten. Im Fahren. Habe ich gemacht. Es geht tatsächlich, weil man ganz
langsam fährt an der Stelle. Dann sollte ich, sagte er, weiterfahren zum
Bahnhof, die Werkzeuge in einem Schließfach verstauen und dessen Schlüssel an
einen gewissen Heyse schicken, in den Tyroler...“
„Schon gut. Das genügt.“
Glockner war aufgesprungen.
„Kreuder, setzen Sie die Vernehmung
fort. Jansen, wir nehmen meinen Wagen. Gaby, Tarzan, ihr könnt mitkommen.“
Mit dem Kleinbus preschten sie zur
Kant-Straße.
Sie liegt näher am Bahnhof als am ,langen Theo’. Aber vom Bahnhof kommend, erschwerten
Einbahnstraßen die Zufahrt.
Auf einfache Weise, dachte Tarzan, hat
der verdammte Verbrecher uns reingelegt. Er wußte, daß wir Maisl keine Sekunde
aus den Augen lassen. Aber die Kant-Straße ist zur Zeit völlig verbarrikadiert.
Da sieht der Verfolger nicht, wenn der Verfolgte was aus dem fahrenden Wagen
wirft - so dicht kann er gar nicht aufrücken. Sehr schlau! Alles andere diente
nur der Ablenkung. Er rechnete auch damit, daß Maisl gekascht wird, sobald er
den Brief fertigmacht. Aber das tat Uckmann nicht mehr weh.
Kant- und Uhland-Straße umschlossen die
kleine Grünanlage, die größtenteils aus zertrampeltem Rasen bestand. Magere
Büsche trennten einen Bolzplatz vom Kinderspielplatz.
Glockner parkte in der Uhland-Straße.
Zu viert betraten sie das Gelände, wo
sich zur Zeit nur eine Handvoll Jugendliche aufhielt. Sie waren in Tarzans Alter
und spielten Fußball.
Tarzan und Gaby liefen zur anderen
Seite hinüber. Der Bretterzaun schloß eine Lücke in der mannshohen Hecke, mit
der sich das Spielgelände von der Straße abschirmte. Sonst befand sich hier
einer der Eingänge. Mit dem Bretterzaun hatte man ihn dichtgemacht.
Tarzan schätzte, daß der Zaun keine
zehn Meter maß. Der Boden dahinter war kahl.
„Fast nur Sand, Gaby, und ein paar
Grasbüschel. Da findet man schnell, was man sucht.“
Sie krauste das Näschen. „Ich sehe mehr
Bonbon- und Kaugummi-Papiere als Halme.“
Tarzan blickte zurück.
Glockner und Jansen sprachen mit den
Jungs, deren einer den Fußball unter dem Arm hielt. Alle nickten eifrig, als
der Kommissar etwas sagte.
„Heh!“ Tarzan schnellte vor und bückte
sich. „Da liegt er ja noch. Da ist ja der Schlüss... Nein! Ist kein Schlüssel.“
Verwundert zog er ein schmales
Silberkettchen aus dem Sand. Ein silbriger Halbmond hing dran, dessen untere
Spitze abgebrochen war. Auf dem Halbmond waren Anfangsbuchstaben eingraviert: U
und R
„Hat jemand verloren“, meinte er. „Liegt
hier sicherlich seit Jahren. Kennst du eine U. R.?“
„Nicht, daß ich wüßte.“
Jansen kam zu ihnen.
„Ihr braucht nicht nach dem Schlüssel
zu suchen. Uckmann war hier. Die Jungs dort bestätigen, daß ein Typ — dessen
Beschreibung auf Uckmann zutrifft — hinter dem Zaun gewartet hat. Er suchte
dann den Boden ab, hob was auf und trollte sich. Was ist denn das?“
„Habe ich gefunden“, erwiderte Tarzan. „Ist
das wertvoll?“
Jansen prüfte es. „Leider nicht. Aber
hübsch.“
„Ist es Fundunterschlagung, wenn ich es
nicht zum Fundbüro bringe?“
Jansen lachte. „Bestimmt nicht. Wer das
verloren hat, wird dort nicht danach fragen.“
„Dann“, meinte Tarzan, „schenke ich’s
dir, Gaby. Wenn du es putzt, wird es wieder wie neu.“
„Ist ja wahnsinnig nett von dir.
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