Die Entfuehrung
der Eingangstür des Nachbarn. Als zusammenklebender Haufen bewegten sie sich schwerfällig den Gehweg entlang, wie eine ausgehungerte Spezies von Fleischfressern, die es aufeinander abgesehen hatten. Harley blieb am Eisentor vor dem Haus stehen und klingelte.
Ein weiterer Reporter rief: »Treffen Sie sich dienstlich oder privat?« Andere riefen dieselbe Frage, nur anders formuliert, und jeder war bemüht, den anderen niederzubrüllen.
Der Summer ertönte, und das Tor wurde elektronisch entriegelt. Harley öffnete das Schnappschloss und trat in den kleinen, umzäunten Vorgarten. Die Meute drängte vorwärts. Er wandte sich um und sagte deutlich, aber höflich: »Sie befinden sich auf Privateigentum. Bitte bleiben Sie hinter dem Tor.«
Sie wichen zurück, die Kameras surrten. Harley schloss das Tor und ging zur Haustür. Sie wurde geöffnet, bevor er klopfen konnte. Die Haushälterin bat ihn herein und schloss ganz schnell die Tür.
»Hier entlang«, sagte sie. Sie nahm seinen Mantel entgegen und geleitete ihn ins Wohnzimmer im hinteren Teil des Hauses. Allison trug ein elegantes blaues Kostüm und hatte sich für ihren bevorstehenden Fernsehauftritt zurechtgemacht.
Überrascht sah Harley zweimal hin. » Sie sehen - gut aus.«
Allison rang sich ein schwaches Lächeln ab. »Was haben Sie erwartet? Zerrissene Kleider, Filzpantoffeln und eine Handvoll Cyanidtabletten?«
Er errötete verlegen. »Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, ehrlich. Auf jeden Fall wollte ich Ihnen sagen, dass ich es falsch finde, wie Sie behandelt werden.«
»Man hat mir ziemlich übel mitgespielt.«
Er schlug die Augen nieder, weil er wusste, dass es die Wahrheit war. »Außerdem wollte ich Ihnen danken.«
»Mir danken? Wofür?«
»Dafür, wie Sie gestern Abend für mich eingetreten sind. Ich habe Ihre Erklärung gesehen, die Sie am Flughafen vor der Presse abgegeben haben. Sie hätten mir leicht die Schuld an der verpatzten Festnahme geben können. Stattdessen haben Sie die Verantwortung übernommen.«
»Ich hasse es einfach, ansehen zu müssen, wie die Medien gute Leute zerfleischen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Inkompetenz und einem fähigen FBI-Agenten, der lahmgelegt wird von Außenstehenden, die laufend die Ermittlungen zu ihrem eigenen politischen Vorteil manipulieren.«
»Auf jeden Fall haben Sie mit Ihrem Verhalten Stärke bewiesen.«
Sie musste lächeln. »Und Sie damit, dass Sie mich aufsuchen. Ich weiß diese Geste zu schätzen. Aber wenn Sie länger hierbleiben, werden wir uns gegenseitig noch mehr Probleme bereiten.
»Das stimmt wahrscheinlich. Aber es gibt ein Problem, das ich gerne gelöst hätte, bevor ich wieder gehe. Wie halten wir Kontakt?«
»Was meinen Sie damit?«
»Sie wissen schon - wie kann ich Sie auf dem laufenden halten?«
»Harley, ich bin suspendiert.«
»Das bedeutet nur, dass Sie nicht länger meine Vorgesetzte sind. Aber ich bin immer noch mit den Ermittlungen betraut, und ich schließe einen Zusammenhang zwischen der Entführung von Kristen und der Ihrer Tochter noch immer nicht aus. Schon dafür brauche ich Ihre Hilfe. Hinzu kommt, dass Ihr Mann und Sie bereit sind, das Lösegeld zu zahlen. Daher halte ich Ihre Mitwirkung für unverzichtbar - Suspendierung hin oder her.«
»Harley, meine Suspendierung wurde direkt vom Präsidenten der Vereinigten Staaten angeordnet. Sie gefährden ihre Karriere.«
»Das stelle ich mir nicht unter Karriere vor, daneben zu stehen und zuzusehen, wie ein anderer über meine Fehler stürzt. Leider kann ich nichts dafür tun, dass der Präsident die Suspendierung rückgängig macht. Aber wir können eine Menge dafür tun, dass die Ermittlungen so verlaufen, wie sie sollen.«
»Wie faszinierend, Mr. Abrams. Bisher kannte ich Ihre hinterlistige Seite gar nicht.«
Er errötete schon wieder. Sie schien ein Talent zu haben, ihn dazu zu bringen. »Ich bin seit zweiundzwanzig Jahren beim FBI und wusste bis eben nicht, dass ich eine solche Seite habe.«
Sie wurde ernster. »Peter und ich haben vorhin gerade über die ganze Situation gesprochen. Glauben Sie, dass die Entführer noch immer auf das Lösegeld aus sind?
»Schwer zu sagen. Unsere Stimmexperten sind sich sicher, dass derjenige, der gestern angerufen hat und Tanya mit Kristen sprechen ließ, definitiv nicht derselbe ist, der Sie und Tanya am Freitag angerufen hat. Der Bursche hatte gesagt, er wolle Kristen bis nach der Wahl sicher aufbewahren, aber bei all dem Medienrummel nach der
Weitere Kostenlose Bücher