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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grippando
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jedoch schien ihr Schlaf noch tiefer zu sein, noch schwerer abzuschütteln. Vielleicht hatte das Mittel seine Wirkung noch nicht ganz verloren. Vielleicht weigerte sich aber auch ein Teil von ihr, aufzuwachen.
    Kristen Howe fürchtet sich nicht. Sie dachte die Worte, formulierte sie im Kopf, konnte ihr Mantra fast schon in wolkigen, weißen Buchstaben auf den hellblauen Himmel geschrieben sehen. Aber sie glaubte es nicht, sie konnte sich selbst nicht davon überzeugen. Dieses Mal war ihr Mantra nicht mehr als eine Ansammlung von Wörtern. Weniger als Wörter. Lediglich hehre Gedanken, die sich in Rauch auflösten und vom Wind davongetragen wurden.
    Sie fühlte sich klebrig, stinkend, feucht. Dann traf ein Blitz ihre Augen, obwohl sie gar nicht offen waren. Noch ein kurzes gleißendes Licht, wie ein Blitz um Mitternacht, der einen dunklen Raum erleuchtet und einen dann in der Dunkelheit zurücklässt. Sie öffnete den Mund, um mit ihrer Zunge die Regentropfen aufzufangen, aber es regnete nicht. Und sie hörte keinen Donner.
    Sie versuchte, ihre Augen zu öffnen, aber ihre Lider waren zu schwer. Und sie wurden immer schwerer, je mehr sie sich abmühte. Sehen konnte sie also nicht, aber die anderen Sinne kamen langsam zurück. Der Geschmack, salzig. Und der Geruch war ihr vertraut. Wie Fleisch. Blutiges, rohes Fleisch.
    Panik erfasste sie. Blute ich etwa?
    Das konnte nicht sein. Kein Schmerz, nirgendwo am ganzen Körper. Und das Blut war kalt - eiskalt, als wäre es im Kühlschrank aufbewahrt worden. Das war's! Es war wie das Schweineblut, das der Lehrer im Biologieunterricht auf der Mittelschule aus dem Kühlschrank genommen hatte. Die Schüler mussten einen Tropfen davon auf eine Glasplatte geben, um ihn unter dem Mikroskop zu untersuchen. Dasselbe Schweineblut, das sie als Mutprobe gegenüber ihren Freundinnen probieren musste. Es war Schweineblut, was sie gerochen hatte, als die Jungs das Glas auf den Boden fallen ließen.
    Schweineblut. Auf ihrem ganzen Körper.
    Wieder ein Blitz, diesmal noch heller. Sie schwebte. Nicht nur im Kopf, sondern mit dem ganzen Körper. Ihre Augen öffneten sich allmählich, erst das linke, dann das rechte. Zwei schmale Schlitze, die nicht an Licht gewöhnt waren und unfähig, etwas wahrzunehmen.
    Plötzlich regnete es. Warmes Wasser prasselte auf ihren Körper und spülte den klebrigen, zähen und stinkenden Schmutz ab. Die Luft war von Dampf erfüllt, es war der wärmste Regenschauer, den sie je erlebt hatte. Die nasse Wärme schläferte sie ein. Ihre Augen schlössen sich noch einmal, aber nicht ohne einen lichten Moment. Weiß überall. Weiße Fliesen oben. Ein weißer Vorhang neben ihr. Glattes weißes Porzellan um sie herum. Ein dunkelroter Strom, der neben ihren Füßen in den Abfluss wirbelte.
    Wieder ein Stich in ihr Bein, wieder diese Nadel. Dann Finsternis und eine schnelle Rückkehr in seligen Schlaf.
    Der Schmerz war am Ende des Tages schlimmer. Allison war seit dem Treffen am Vorabend mit Präsident Sires dauernd in Bewegung gewesen, ohne sich der vollen Bedeutung ihrer »Suspendierung« bewusst zu werden. Irgendwann fing es an weh zu tun. Freunde drückten bereits ihr Mitgefühl aus. Feinde lächelten und wetzten die Messer für die Novemberversion der blutigen Iden des März.
    Die Meute der Reporter draußen vor ihrer Tür hatte den ersten Schlag ausgeteilt. Es waren zwar nur ein paar wenige Schritte von ihrer Haustür bis zum Bordstein, aber sie waren ihr wie Meilen vorgekommen. Hätten die Beamten des Secret Service ihr nicht den Weg gebahnt, wäre sie nie bis zu ihrer Limousine gekommen. Die Fahrt ins Studio hatte ihr kurzfristig Frieden verschafft, aber in der politischen Talkshow von ABC, Diese Woche in Washington, hatte noch ein Feuerwerk auf sie gewartet. Ein dreister Diskussionsteilnehmer schien ganz besonders darauf aus zu sein, sie zu verletzen.
    »Warum haben Sie sich nicht von vorneherein aus den Ermittlungen herausgehalten«, fragte er direkt, »und damit die ganze Kontroverse um einen Interessenkonflikt vermieden?«
    »Ich finde es interessant, dass Sie das fragen«, gab sie trocken zurück, »wo Sie es doch waren, der mir noch vor einer Woche in der gleichen Sendung vorgeworfen hat, ich würde nicht genug dafür tun, Kristen Howes Leben zu retten.«
    Von dem Moment an war es bergab gegangen. Sogar noch schlimmer. Es war mehr wie ein Sturz von den Klippen gewesen
    Wie sich die Dinge ändern, dachte sie. Vier Jahre zuvor war ihr erster Auftritt an einem

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