Die Entfuehrung
ihrer Decke und merkte, wie er vorsichtig das Zimmer durchquerte, ohne Licht zu machen, wie er sich auf die andere Seite des Doppelbetts legte, noch einen Blick auf die Uhr warf und erschöpft aufseufzte.
Ihre Stimme durchschnitt die Dunkelheit. »Du hast versprochen, Tanyas Haus mit Politik zu verschonen.«
»Ich weiß. Das war ein Notfall.«
Sie stützte sich auf den Ellbogen und sah ihn direkt an. »Welche Art von Notfall?«
Er rollte sich zu ihr herum und stauchte das Kissen zurecht. »Wahlkampfnotfall.«
»Lincoln, du hast dein Versprechen gebrochen, und ich will wissen, warum.«
»LaBelle hielt es für dringend. Es hat sich herausgestellt, dass an den Ehebruchgerüchten über Leahy mehr dran ist, als bisher herausgekommen ist.«
»Gott im Himmel. Diese ganze Ehebruchgeschichte interessiert jetzt doch niemanden mehr.«
Er rollte sich auf den Rücken, seufzte selbstgefällig und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Du hast recht, Nat. In weniger als zwei Tagen ist dein Lincoln der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.«
Er streckte seine Hand über den Spalt zwischen den beiden Matratzen hinweg und ergriff ihre Hand. Sie drehte sich weg. »Ich meinte, jetzt nach der Entführung«, sagte sie barsch
»Nach dem, was Kristen passiert ist. Nicht jetzt vor deinem großen Wahlsieg.«
Er nahm seine Hand wieder weg. »Ich - äh. Natürlich, ich verstehe schon, was du gemeint hast. Ich glaube, ich habe nur nach einem Silberstreif am Horizont gesucht.«
Sie stand aus dem Bett auf und zog sich schnell ihren Morgenmantel und ihre Hausschuhe an, um ins Bad zu gehen. An der Tür blieb sie stehen und sah im Dunkeln noch mal zu ihm hinüber. »Vielleicht solltest du lieber anfangen, nach deiner Enkelin zu suchen statt nach Silberstreifen am Horizont.«
Sie wartete, in der Hoffnung, er würde irgend etwas sagen. Das Ausbleiben einer Reaktion ließ ihr den Raum noch dunkler erscheinen. Sie trat hinaus und ging den Flur hinunter.
Tanya saß bewegungslos auf dem Fußboden direkt neben dem Auslassschlitz des Lüftungsschachts. Der Luftstrom zu Tanyas Schlafzimmer kam über einen geteilten Heizungskanal, dessen anderer Teil ins Gästezimmer führte - also in den Raum, den sie in ein Arbeitszimmer umfunktioniert hatte. Ursprünglich war es Kristens Zimmer gewesen, aber ihre Tochter hatte darauf bestanden, auf die andere Seite des Hauses umzuziehen, nachdem sie dahintergekommen war, dass ihre Mutter alles hören konnte, was in Kristens Zimmer passierte, wenn sie ihr Ohr an den Lüftungsschacht in ihrem Schlafzimmer legte. Kristen war ein scharfsinniges Mädchen. Viel scharfsinniger als ihr Großvater.
Tanya sah zum Telefon auf dem Nachttisch hinüber. Sie war versucht, Allison oder Harley anzurufen, um einen Sinn in das zu bringen, was sie eben mitgehört hatte, aber sie musste zuerst ihre Gedanken ordnen.
Finden Sie O'Brien - der Befehl ihres Vaters klang noch in ihren Ohren. Was bedeutete das? Ihn finden, um mit ihm zu reden? Ihn finden, um ihn zum Schweigen zu bringen? Ihn finden, um ihn zu töten?
Sie holte tief Luft; der Gedanke ließ sie erschauern. Sie musste versuchen, sich zu konzentrieren. Zuerst Mark Buckley. Tot auf dem Highway nach einer Drohung ihres Vaters. Nun Mitch O'Brien. Der sich offensichtlich vor dem FBI versteckte, vielleicht auch vor ihrem Vater. Oder vor den Leuten, die für ihren Vater arbeiteten. Vielleicht vor denselben Leuten, die Kristen entführt hatten.
Ihr Herz pochte, während sie in Gedanken diese schrecklichen Szenarien durchspielte. Sie verstand nicht alles, aber dieser O'Brien schien ein logisches Bindeglied zu sein zwischen dem Ehebruchskandal und dem Foto mit dem scharlachroten Buchstaben, das Allison ihr kurz am Telefon erklärt hatte.
Bei aller Verwirrung in ihrem Kopf stand ihr eine Sache ganz deutlich vor Augen: Harley Abrams jüngste Warnung. Er hatte sie dazu ermutigt, ihren Vater auszuspionieren. Er hatte erklärt, wenn Kristens Entführung politisch motiviert war, könnte es sein, dass die Entführer die Wahlen jetzt einfach ihren Gang nehmen lassen und ihre Lösegeldforderung nicht weiter verfolgen. Dieses Szenario war für Kristen am gefährlichsten. Deshalb durften sie nicht einfach herumsitzen und warten. Sie mussten zum Angriff übergehen und die Entführer aus ihrem Versteck locken.
Ihr Blick wanderte zu dem Foto auf ihrer Frisierkommode. Sie und Kristen. Das letzte Foto von ihnen beiden.
Sie wischte ihre Tränen ab und stand auf. Sie spürte ihre
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