Die Entfuehrung
Polizeidenkmal.« Dann klickte es.
Verwirrt schüttelte sie den Kopf und sagte zu Harley: »Haben Sie das gehört?« »Ja. Gehen Sie weiter. Wir haben Sie ständig im Blick.« Sie blickte den Gehweg hinauf und hinunter, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Nette Überwachung, dachte sie und eilte über die F-Street.
Der Judiciary Square war, wie der Name schon sagte, das juristische Herzstück der Stadt, denn nicht nur das städtische, sondern auch das Bundesgerichtsgebäude lagen an diesem Platz. Mit dem Polizeidenkmal musste der Anrufer das National Law Enforcement Officers Memorial gemeint haben, eine einen Meter hohe Mauer, in die die Namen von mehr als fünfzehntausend Polizeibeamten eingraviert waren, die seit 1794 bei der Ausübung ihrer Pflicht ums Leben gekommen waren. Allison hatte an der Einweihung im Jahre 1991 teilgenommen. Eine weitere poetische Anspielung, vermutete Allison - die nicht sehr subtile Botschaft, dass, sollten ihr Polizisten folgen, demnächst ein paar Namen mehr auf der Mauer stehen könnten.
Sie blieb bei einer Gedenktafel in der Mitte der Mauer stehen. Hinter ihr klingelte ein Münztelefon.
Dieses Mal zögerte sie nicht, abzuheben. »Und nun?«
»Sehen Sie den U-Bahnhof?«
Sie wandte sich suchend um. Ungefähr zwanzig Meter weiter stand ein hoher brauner Mast mit der Aufschrift »Metro«.
»Ja«, sagte sie.
»Fahren Sie mit der Rolltreppe hinunter. Steigen Sie in die rote Linie Richtung Wheaton bis zur Station Forest Glen. Steigen Sie da aus, und warten Sie auf dem Bahnsteig.«
»Welchen Zug?« fragte sie mit Nachdruck, weil sie das Gefühl hatte, dass er auflegen wollte. »Die fahren doch alle paar Minuten.«
»Den nächsten Zug«, antwortete er. »Er fährt um zehn nach. Verpassen Sie ihn nicht. Oder Kristen wird dafür zahlen.«
Es klickte.
Sie legte schnell auf und sah sich um. Sie fragte sich, ob unter den Menschen, die auf dem Platz herumliefen, ihre Beschützer vom FBI waren und wer sie wohl sein mochten.
»Haben Sie gehört?« fragte sie Harley.
»Ja. Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich will nicht, dass Sie in die U-Bahn gehen.«
Sie eilte schon in Richtung Bahnhofseingang. »Ich kann nicht warten. Der Zug geht in drei Minuten.«
Sie ging sehr schnell, fast rannte sie, als sie bei der Rolltreppe ankam, die in den Tunnel führte. Um schneller zu sein, lief sie die Rolltreppe hinunter. Es war ziemlich entnervend, den Anweisungen von Entführern zu folgen, die einen im Grunde genommen in ein riesiges Loch im Boden dirigierten. Aber es blieb ihr keine Zeit zum Nachdenken.
Plötzlich hatte sie ein Knistern im Ohr.
»Harley?« fragte sie.
Es knackte wieder, aber Harleys Stimme war kaum zu vernehmen. Dann gab es ein Geräusch, als würden die Sendefrequenzen geändert.
»Allison, können Sie mich hören?«
»Schlecht.«
»Wir haben den Funkkontakt auf Ihrem Weg unter die Erde verloren, und es wird immer schlimmer. Forest Glen ist der am tiefsten gelegene U-Bahnhof im Metro-System - da geht ein Aufzug einundzwanzig Stockwerke hinunter. Es gibt nicht einmal Rolltreppen. Ich kann da nicht mehr mit Ihnen sprechen. Kehren Sie um.«
»Ich kehre nicht um.«
»Verdammt, Allison, ich will Sie nicht siebzig Meter unter der Erde mit irgendeinem Verrückten haben.«
»Dann schicken Sie irgendwen mit.«
»Gut, ich schicke Agenten, die sich als Passagiere ausgeben.«
»Beeilen Sie sich. In neunzig Sekunden steige ich in den Zug.«
»Allison - « Seine Stimme war nicht mehr zu hören. Der Funkkontakt war abgebrochen.
Als sie mit der Rolltreppe unten ankam, eilte sie zu den Fahrkartenautomaten. Die Schlange war lang und bewegte sich nur langsam vorwärts. Sie rannte zu einem alten Mann am Anfang der Schlange und hielt ihm eine Zwanzigdollarnote hin
»Ziehen Sie mir eine Karte und behalten Sie das Wechselgeld«, sagte sie mit Nachdruck.
Die Menschen hinter ihm sahen sie feindselig an und maulten. Der alte Mann grabschte den frischen Geldschein und schob ihn in den Schlitz. Der Preis betrug nur einige Dollar. Allison überließ ihm wie versprochen das Wechselgeld und schnappte sich die Fahrkarte. Der Zug fuhr schon ein, als sie durch das Drehkreuz stürzte, das den Zugang zum Bahnsteig freigab. Sie bahnte sich mit den Ellbogen den Weg durch die Menge der Pendler und blieb an den blinkenden Haltelichtern am Ende des Bahnsteigs stehen. Sie wartete, bis die Türen geöffnet wurden, und sah auf die Uhr. Zehn nach zehn. Es war eindeutig dieser Zug. Ihre Gedanken rasten. Sie
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