Die Entfuehrung
ist doch wohl Ihr Scheißproblem, oder?« Allison senkte den Kopf. Harley hatte mehrmals genau dieselben Fragen gestellt, und die Antworten waren auch immer dieselben gewesen. Sie wusste, dass der Junge nicht log. Sie waren einfach nur Rowdys - Opferlämmer, geschickt von den Entführern, die genau wussten, dass das FBI auf seine Chance lauern würde. Nur was Jesses Tod anging, war sie anderer Meinung. Das war nicht Harleys Problem. Es war ihres.
In ihrer Handtasche klingelte das Handy - auf der persönlichen Leitung, die nur einer Handvoll Leuten zugänglich war. Sie nahm sofort ab. Es war Tanya Howe.
»Es tut mir leid, Tanya. Ich hatte versprochen, Sie nicht zu enttäuschen, aber ich habe es doch getan. Ich versuche noch herauszufinden, was schiefgelaufen ist.«
»Das FBI - das ist schiefgelaufen. Irgendwie wissen die Entführer immer davon, wenn die mitbeteiligt sind. Ich weiß nicht, ob jemand ihnen den Tipp gegeben hat oder ob die Entführer einfach nur so gerissen sind, dass sie spüren, ob Polizei in der Nähe ist. Auf jeden Fall, wenn ich das FBI nicht heraushalte, wird Kristen sterben. Das ist ihr letztes Wort.
Allison fuhr zusammen. »Haben Sie irgend etwas Neues gehört?«
»Ja. Ich habe heute Morgen ein Päckchen erhalten - nach Ihrem Desaster. Ein Foto von Kristen. Wir glauben, dass sie noch lebt. Außerdem eine Warnung. Kein FBI mehr.«
»Das mag ja für Sie schwer zu schlucken sein, nach alldem, was passiert ist. Aber ich persönlich glaube nicht, dass Sie besser ohne das FBI dran sind. Vertrauen Sie mir. Sie brauchen das FBI.«
»Vergessen Sie's! Ab jetzt ist das meine Sache. Sie können mitmachen oder sich raushalten. Aber lassen Sie Ihre Armee zu Hause.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Gehen wir einmal davon aus, dass die Entführer uns noch eine Chance geben. Gehen wir davon aus, dass Kristen noch lebt und sie wollen, dass ich persönlich das Lösegeld überbringe - genau wie vorher. Ich kann nicht behaupten, dass ich wild darauf bin, das ohne den Schutz des FBI zu tun.«
»Nun gut, vielleicht müssen Sie es ja gar nicht machen.«
»Wir werden sehen.«
»Vielleicht früher, als Sie meinen. Ich habe hier einen Brief für Sie. Er war mit in meinem.«
»Was ist drin?«
»Ich habe ihn nicht aufgemacht. Es steht lediglich drauf, dass ich ihn an Sie übergeben soll. Wo können wir uns treffen?«
»Wir haben nicht die Zeit, uns zu treffen. Geben Sie es den FBI-Leuten. Sie sollen es öffnen.«
»Nein.«
»Tanya«, sagte sie streng. »Es ist mein Brief. Tun Sie, was ich sage.«
»Und es ist meine Tochter«, sagte sie mit schriller, zittriger Stimme. »Es wird Zeit, dass irgendwer das tut, was ich sage
Also hören Sie mir zu. Ihr Brief kam in meinem. Und in meinem stand, ich soll das FBI raushalten. Ich halte das FBI heraus. Punkt.«
Allison spürte, dass es keinen Zweck hatte, Tanya umstimmen zu wollen; zudem hatte sie das vage Gefühl, dass Tanya vielleicht recht hatte. »Okay, Tanya. Wir machen es so, wie Sie wollen. Aber wir haben keine Zeit, uns zu treffen. Irgendwer muss den Brief öffnen und mir sagen, was drin ist.«
»Ich werde ihn aufmachen.«
»Zu gefährlich«, erwiderte Allison. »Es könnte Sprengstoff drin sein.«
»Das FBI hat ihn schon zusammen mit meinem überprüft. Es ist ungefährlich.«
»Also gut«, sagte Allison, »dann öffnen Sie ihn. Aber passen Sie gut auf, dass Sie nicht überall Ihre Fingerabdrücke hinterlassen. Ich weiß ja, dass Sie die Einmischung des FBI nicht wollen, aber vielleicht wollen wir ja, dass unser Labor das irgendwann untersucht.«
»Ich habe dem FBI-Agenten dabei zugesehen, wie er meinen Brief geöffnet hat. Ich werde es genauso vorsichtig machen.«
Durch das Telefon konnte Allison hören, wie der Umschlag aufgerissen wurde. Sie hielt gespannt die Luft an.
»Jetzt ist er offen«, sagte Tanya. »Es ist ein Foto. Von einem jungen Mädchen. Blondes Haar. Heller Teint. Sie hat ein kariertes Kleid an. Sieht aus wie eine Schuluniform.«
»Wie alt könnte sie sein?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht acht oder neun.«
Allison war ganz aufgeregt. »Wo befindet sie sich?«
»Das kann ich nicht genau sagen. Das könnte eine Schule sein im Hintergrund. Als hätte jemand das Foto von der gegenüberliegenden Straßenseite aufgenommen, während sie auf dem Schulhof war. Sie posiert eindeutig nicht für das Foto. Es wirkt so, als hätte jemand sie ohne ihr Wissen fotografiert. Es gibt hier noch ein zweites Foto.«
»Wovon?«
»Es ist ein
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