Die Entfuehrung
einer Couch mit dem Rücken zu den Fenstern des Einstiegs Platz. Buck LaBelle saß ihnen gegenüber, zusammen mit John Eaton, einem brillanten, aber manchmal etwas zerstreuten Meinungsforscher, der mit seinem Notebook wahre Wunder vollbringen konnte, vorausgesetzt, er hatte es nicht versehentlich auf der Flughafentoilette liegenlassen. Neben ihm saß Evan Fitzgerald, der Medienberater, den Endicott unbedingt für die Entwicklung und Auswertung der Fernsehspots mit im Team hatte haben wollen. Howe respektierte Fitzgeralds Arbeit, obwohl er einer dieser eingebildeten Snobs der Ivy League war, des illustren Kreises von Absolventen der Eliteuniversitäten, die einem nie direkt ins Gesicht sagen würden, dass sie in Harvard waren, die es aber fertigbrachten, in jedes Gespräch einen Satz einzuflechten, der mit den Worten anfing: »Zu meiner Zeit in Cambridge ...« Howe konnte diese Leute nicht ausstehen
Das Flugzeug sollte erst in einer Stunde starten, und so war noch mindestens eine halbe Stunde Zeit, bis die Crew, die Wahlkampforganisatoren und die mitreisenden Medienleute an Bord kamen. Der Brain Trust war also ungestört. Howe verwandte die ersten Minuten darauf, seine Unterredung mit Präsident Sires im Oval Office zu schildern.
»Das Fazit ist«, beendete er seinen Vortrag, »dass der Präsident kein Wort mehr von einem Militäreinsatz gegen Kindesentführer hören will. Wenn ich die Geschichte nicht stoppe, wird das Weiße Haus durchsickern lassen, dass die Ermittlungen des FBI sich jetzt auf die Frage konzentrieren, ob jemand aus meinem eigenen Wahlkampfstab die Entführung von Kristen in Szene gesetzt hat, um den Ausgang der Wahlen zu entscheiden.«
»Sollen sie es doch durchsickern lassen.« Eaton, der Spezialist für Meinungsumfragen, sagte es mit Blick auf seinen Laptop. »Meine Zahlen weisen darauf hin, dass die Leute das nicht fressen werden. Männer, Frauen, Schwarze, Weiße, Junge, Alte. Es spielt keine Rolle. Neunzig Prozent der amerikanischen Öffentlichkeit glauben, dass Sie Ihre Rede gestern Abend nur aus Liebe zu Ihrer Enkelin gehalten haben. Allein die Behauptung, dass Sie oder jemand aus Ihrem Umfeld hinter der Entführung steckt, würde das politische Totengeläut für Leahy bedeuten.«
LaBelle kaute auf seiner kalten Zigarre. »Ich stimme Eaton zu, aber wir müssen einen Schritt weiter denken. Die erste Regel in der Politik lautet: Wenn du schlechte Nachrichten hast, mach' sie selbst bekannt. Wir dürfen nicht darauf warten, dass das Weiße Haus sie bekanntmacht. Wir machen es selber, vorneweg. Wir berufen eine Pressekonferenz ein, auf der wir dem amerikanischen Volk mitteilen, dass nach unseren Informationen das FBI seine Ermittlungen auf den Wahlkampf von Howe konzentriert und dass es sich hierbei nach unserer Auffassung um politisch motivierte Propaganda handelt, die vom Büro der Justizministerin ausgeht.«
»Einen Moment mal«, schaltete sich Endicott ein. Der Kandidat für die Vizepräsidentschaft streckte seine Arme aus wie ein Prediger auf der Kanzel, womit er alle in seinen Bann zog. »Zuallererst, wissen wir denn wirklich, dass es keiner unserer Anhänger ist, der hinter der Entführung steckt?«
Unbehagliches Schweigen machte sich breit. Endicott wartete, aber keiner sagte etwas. »Zweitens«, fuhr er fort, »wer sagt eigentlich, dass Justizministerin Leahy hinter den Ermittlungen gegen unseren Wahlkampf steckt? Woher wissen wir, dass das die Wahrheit ist?«
Das Schweigen wurde noch ungemütlicher. Die Männer tauschten wortlos Blicke aus. Schließlich ergriff Howe das Wort.
»Es ist die Wahrheit«, sagte er und griff zurück auf das Gespräch mit dem Präsidenten. »Es lässt sich nämlich nicht beweisen, dass es nicht wahr ist.«
LaBelle grinste zynisch. »Also, General, ich muss schon sagen, der Übergang von den Regeln der Kriegsführung zu den Regeln der Politik ist Ihnen gelungen.«
»Das hier ist Krieg«, sagte der General düster.
Allison kam zwanzig Minuten nach ihrem Telefongespräch mit Harley Abrams zu Hause in Georgetown an. Sie hatte das FBI-Gebäude rechtzeitig vor dem Einsetzen des Berufsverkehrs verlassen. Mit Peters Hilfe holte sie mehr als ein Dutzend eingestaubter Kartons vom Dachboden herunter.
Mehrere Schachteln stöberte sie wahllos durch, und ab und zu lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Sie enthielten vergilbte Zeitungsausschnitte, eine Kopie des Polizeiberichts, Postkarten und Briefe von Freunden sowie von Fremden, Videoaufnahmen der
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