Die Entfuehrung
Demonstranten über die Pennsylvania Avenue zu lassen. General Howes Blick wandte sich dem Lafayette Square zu und blieb auf der riesigen Bronzestatue haften, die Andrew Jackson auf einem Pferd darstellte. »Die Schlacht von New Orleans«, murmelte er tonlos.
»Wie bitte?« fragte LaBelle.
»Einer von General Jacksons berühmtesten militärischen Siegen.« Er bedachte LaBelle mit einem missbilligenden Blick. »Wissen Sie nichts über den Krieg von achtzehnhundertzwölf?«
»Nur das Jahr, in dem er stattgefunden hat, Sir.« Er sah auf die Uhr, in Gedanken beim engen Terminplan des Generals.
»Buck«, sagte der General deutlich, »wussten Sie, dass schwarze Soldaten bei der Schlacht von New Orleans gekämpft haben?«
Buck ließ einen Moment verstreichen. Er spürte, dass der General mit seiner Abschweifung ein Ziel verfolgte. »Nein, Sir, wusste ich nicht.«
»General Andrew Jackson selbst hatte allen Schwarzen, die sich seiner Armee von Freiwilligen anschlössen und gegen die Briten kämpften, zur Belohnung ein Stück Land versprochen. Sie meldeten sich massenhaft. Sie kämpften tapfer. Viele von ihnen starben.« Er zog seine Brauen zusammen. »Wissen Sie, was sie für ihre Opfer bekamen?«
»Land, das haben Sie doch gesagt.«
»Sie bekamen nichts. Diese mutigen schwarzen Soldaten bekamen nichts außer Lügen und leeren Versprechungen -direkt von den Lippen eines herausragenden Generals der Armee der Vereinigten Staaten, der dabei war, einer der meist geachteten Präsidenten dieses Landes zu werden.« Er schüttelte den Kopf und erregte sich noch einmal über seine Unterredung mit dem selbsternannten Präsidenten der Bildung. »Vermächtnisse«, höhnte er. »Das ist doch sowieso alles Schwachsinn.«
Für den Moment fiel LaBelle nichts mehr ein.
Das Telefon klingelte. Der Anruf kam auf General Howes persönlicher Nummer, die nur wenigen Menschen bekannt war. Er schluckte seine Bitterkeit hinunter und nahm beim zweiten schrillen Kingeln ab.
»Liebling, ich bin's«, sagte seine Frau.
Der General sah kurz auf. LaBelle beschäftigte sich mit seinen Papieren und gab vor, nicht zuzuhören. »Wo bist du, Nat?«
»Immer noch in Nashville. Tanya und ich haben miteinander geredet. Sie ist ziemlich außer sich.«
»Kann der Arzt ihr nichts verschreiben?«
Ihr frustrierter Seufzer war in der Leitung zu hören. »Darum geht's gar nicht.«
»Entschuldige. Worum geht es dann?«
»Nun«, begann sie zögernd, »es sieht so aus, als ob Tanya das Lösegeld zahlen will.« Sie schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: »Und ich will es auch.«
Er wurde stocksteif und umklammerte das Handy. »Ich glaube, wir müssen hier etwas klarstellen. Hat Tanya eine Million Dollar?«
»Natürlich nicht.«
»Dann sieh mal auf unser Konto. Haben wir eine Million Dollar?«
»Nein. Aber du kannst sie bekommen. Ganz sicher sind dir noch einige Leute etwas schuldig. Wenn du mit ihnen sprichst, können wir das Geld zusammenbekommen.«
»Nein. Auf gar keinen Fall.
»Lincoln, bitte.«
»Nat, gestern Abend habe ich im landesweiten Fernsehen den Entführern erklärt, dass ich das Lösegeld auch dann nicht zahlen würde, wenn ich es hätte. Ich kann nicht weniger als vierundzwanzig Stunden später meinen Standpunkt umkehren. «
»Ist das alles, was dich beschäftigt? Deine klare Linie gegenüber den Wählern?« Ihre Stimme bebte.
»Das hat überhaupt nichts mit Wahlen zu tun. Hier geht es um eine ganz einfache Verhandlungsstrategie. Da muss man standhaft sein. Ich habe denen gesagt, keine Verhandlungen, und das habe ich auch gemeint. Verlass dich nur auf mich.«
»Ich habe Angst. Wir haben beide Angst. Ich habe das schreckliche Gefühl, dass sie Kristen töten werden, wenn wir das Geld nicht bezahlen.« Sie brach ab und schluchzte ins Telefon.
Er musste schlucken, verlieh seiner Stimme aber einen festen Klang. »Natalie, reiß dich zusammen. Ich habe nein gesagt. Streite jetzt nicht mit mir herum.«
Sie schniefte und atmete tief ein. »Es tut mir leid. Was soll ich Tanya sagen?«
»Sag Tanya - « Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Dass du es für Kristen tust?« soufflierte sie ihm.
» Genau «, erwiderte er mit dünner Stimme, » sag ihr das.«
Allison war so beschäftigt gewesen, dass sie vergessen hatte, zu Mittag zu essen. Eine ihrer ersten Handlungen als Justizministerin hatte darin bestanden, die Privatkantine samt Personal, die sich im nördlichen Ende ihrer Bürosuite befunden hatte, aufzulösen. Dies hatte sie
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