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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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von der Presse gefragt wurde, weshalb sie sich für Leopardenhäute entschieden hätte, gab sie eben jenen Ausspruch zum besten: ›Weil einem auf Nerz zu warm wird beim Sitzen.‹ Diese Äußerung hat überall auf der Welt für Schlagzeilen gesorgt. Sie wußte schon, wie man die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht.«
    »Kein Wunder, bei solchen Sprüchen«, sagte Julia schmunzelnd. »Es ist köstlich, einfach köstlich. Auf Nerz wird einem zu warm beim Sitzen …« Sie lachte. »Und was ist aus ihr geworden?«
    »Die Geschichte ist traurig ausgegangen«, fuhr Watson fort. »Wegen der vielen Skandale ist ihr Ehemann aus dem Familienunternehmen geworfen worden. Danach sind die beiden auf ihrer großen Jacht – ich glaube, sie hieß Paradiso – ziellos über die Weltmeere gesegelt und nur noch selten hier vor Anker gegangen. In dem Haus schien die Zeit stehengeblieben zu sein, als ich es übernommen habe. In dem Wohnzimmer befand sich ein kleines Privatkino mit einer Leinwand und einem Projektor – alles war im ursprünglichen Zustand zurückgelassen worden. Anscheinend hatte sie irgendwann das Interesse an ihren Sachen verloren. Vielleicht hatte sie sich auch mit den hiesigen Behörden angelegt – zuletzt war sie ständig im Clinch mit irgend jemandem, der Alkohol, wissen Sie. Die beiden sind einfach verschwunden, haben das Haus noch nicht einmal zum Verkauf angeboten. Erst nach ihrem Tod haben ihre Anwälte es zum Verkauf freigegeben. Und ich war der glückliche Käufer.«
    »Du hast wahre Wunder damit vollbracht, Dick«, warf jemand ein. »Sie müssen sich den Garten ansehen, den er angelegt hat. Und die kunstvolle Beleuchtung bei Nacht.«
    »Die Morgendämmerung und der Sonnenuntergang sind die besten Zeiten«, fand Richard. »Nur leider verschlafe ich die Sonnenaufgänge jetzt meistens. Aber es hat mir sehr viel Spaß gemacht, alles nach meinem Geschmack herzurichten. Sheila, so lautete ihr Name. Sheila Hunter. Wirklich ein Jammer, daß es mit ihr so bergab gegangen ist.«
    »Ich muß unbedingt die alten Artikel über sie lesen«, sagte Julia. »Es hört sich sehr interessant an.«
    »Obwohl sie im Vergleich zu den Skandalnudeln von heute direkt harmlos wirkt«, tönte Thomas fröhlich. »In der Sun würde sie wahrscheinlich gar nicht mehr erwähnt werden, nicht wahr?«
    »Wäre das nicht ein Thema für ein neues Buch, Julia?« schlug seine Frau vor. »Ich glaube nicht, daß es schon eine Biographie über sie gibt. Solange sie noch lebte, hat sich sowieso niemand daran gewagt. Sie war bekannt dafür, daß sie gerne prozessierte. Sie hat übrigens ein paar außergewöhnliche schwarze Perlen besessen; solche Perlen sind durch sie sehr in Mode gekommen.«
    Julia ließ sich von Richard erneut ihr Glas füllen. Das Essen und der Wein waren ebenso gekonnt ausgesucht wie die Kerzen und die Blumengestecke auf dem Tisch. Richard besaß Geschmack und Stil. Sie mochte ihn. Und er schien ebenfalls Gefallen an ihr zu finden. Sie dachte lieber nicht daran, daß sie unter einem Vorwand in sein Haus gekommen war, um ihn auszunutzen.
    Ihn wie auch ihre arglosen Verwandten, Janey und David Peterson, die sich so gefreut hatten, sie zu sehen. Die sie so herzlich aufgenommen hatten. Sie zog sich aus der Unterhaltung zurück und beschränkte sich aufs Zuhören.
    »Das Alter bringt es anscheinend mit sich«, führte Richard Watson gerade aus, »daß man am liebsten über die Vergangenheit spricht. Ich beobachte das an mir immer häufiger. Vor kurzem habe ich ein paar Tage bei meinem Neffen in London verbracht … Der Anwalt, Janey. Du hast ihn doch kennengelernt, als er im letzten Sommer zum Segeln nach Jersey gekommen ist …«
    »Ja, ich erinnere mich. Ein charmanter junger Mann«, fiel Janey begeistert ein.
    Richard Watson lächelte. »Ganz so würde ich es nicht ausdrücken. Ich finde ihn eher arrogant und anmaßend. Aber er ist ein Verwandter, deswegen halte ich den Kontakt. Er hat mich also zum Essen ausgeführt – in seinen exklusiven Club, in dem viel besser gekocht wird als in jedem Restaurant – und ich habe nur über die Zeit gesprochen, die ich als Kriegsgefangener zugebracht habe. Über dieses Thema hatte ich seit Jahren kein Wort verloren, geschweige denn daran gedacht. An dem Abend aber muß ich mich stundenlang über meine Lagererfahrungen in Deutschland ausgelassen haben. Irgendwann habe ich dann gemerkt, daß sich der arme Kerl tödlich gelangweilt hat. Ich habe meine Geschichte schnell zu Ende

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