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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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gebracht und das Thema gewechselt. Wie dämlich ich mir vorgekommen bin!«
    »Das eigentliche Problem ist doch«, rief Bob Thomas dazwischen, »daß die jungen Leute denken, sie wüßten alles.«
    »War das bei uns denn anders?« gab Richard Watson sanft zu bedenken. »Als ich achtzehn war, habe ich auf kein einziges Wort meines Vaters mehr gehört. Traurig war nur, daß wir nach meiner Rückkehr aus dem Lager nicht miteinander sprechen konnten. Natürlich haben sich meine Eltern gefreut, mich wiederzusehen – meine Mutter hat geweint und ist in die Küche gelaufen, um Tee zu machen; mein alter Vater hat den Arm um mich gelegt und hat sich dann schnell um mein Gepäck gekümmert. Sie wußten nur nicht, was sie zu mir sagen sollten.«
    Julia entschied, daß der rechte Zeitpunkt gekommen war. »Hat Sie das Ganze sehr belastet? Es muß bestimmt schwierig gewesen sein, sich wieder an das normale Alltagsleben zu gewöhnen.«
    »Einfach war es nicht«, stimmte er zu. »Ich bin als Fremder nach Hause zurückgekehrt. Fremd nicht nur für meine Eltern, sondern auch für mich selbst. Ich begriff kaum, was der Freiheitsentzug mir angetan hatte. Ich konnte nichts selber in die Hand nehmen, hatte verlernt, Entscheidungen zu treffen. Wenn mir morgens jemand die Socken hingelegt hätte, hätte ich mir sogar meine Kleidung nicht mehr alleine ausgesucht.«
    »Wie lange hat dieser Zustand angedauert?« Julia rückte näher an ihn heran, um seine volle Aufmerksamkeit zu erringen.
    »Ein paar Jahre. Ich habe es mit verschiedenen Jobs versucht, habe es aber nirgendwo lange ausgehalten. Ich litt an Depressionen, wie viele meiner ehemaligen Mitgefangenen. Bis ich eine Trainee-Stelle bei ICI bekommen habe. Die Stelle hat mich erst interessiert, dann fasziniert. Von da an ging es bergauf mit mir.«
    Julia atmete tief durch. Jetzt.
    »Ich habe Ihr Buch gelesen«, verkündete sie. »Einer meiner Freunde, der den letzten Krieg ebenfalls miterlebt hat, hat es mir zu lesen gegeben. Es hat mich wirklich beeindruckt. Haben Sie es verfaßt, während Sie interniert waren?«
    »Ja«, erwiderte Richard Watson. »Es war so trostlos, grau, so erbärmlich kalt mitten im Winter … Wir hatten nie genug zu essen. Die anderen haben ihre Zeit damit verbracht, Fluchtpläne zu schmieden und Schach oder Bridge zu spielen. Ich habe meine eher unbedeutenden Kriegserinnerungen aufgeschrieben. Ich kann es kaum glauben, daß Sie sie interessant fanden, fühle mich aber sehr geschmeichelt.«
    Er lächelte ihr zu.
    »Ein Buch?« dröhnte Bob Thomas. »Was höre ich da, Dick – hast du etwa Geheimnisse vor uns?«
    »Das Ganze liegt doch schon Jahre zurück – lange bevor ich hierhergekommen bin«, rechtfertigte sich Richard Watson. »Ich habe ein paar Exemplare privat drucken lassen. Hätte nie gedacht, daß sie irgendwo zirkulieren. Ich wollte mir die Geschichte einfach nur von der Seele schreiben, das ist alles.«
    »Stille Wasser sind tief«, rief Bob Thomas. »Sie nehmen sich besser in acht, Julia. Dick wird Ihnen sonst noch zum gefährlichen Konkurrenten … Ich würde das Buch gerne einmal lesen. Du hast dir doch sicher ein Exemplar des großartigen Werkes aufgehoben, nicht wahr, Dick? In der Armee habe ich die beste Zeit meines Lebens verbracht. Ich ärgere mich oft, daß ich nicht Berufssoldat geworden bin. Für den Krieg war ich damals noch zu jung, aber der Wehrdienst hat mir sehr gefallen.«
    Zustimmung heischend, blickte er in die Runde.
    »Sehen Sie das auch so, Richard?« fragte Julia leise. »Ihr Buch liest sich nämlich etwas anders.«
    Richard blickte sie an, wandte sich dann schnell wieder ab.
    »Ich habe die Armee gehaßt«, stieß er hervor. »Die Armee und alles, was mit ihr zusammenhing. Ich bin kein guter Soldat gewesen. Der Gedanke, jemanden töten zu müssen, war mir schrecklich. Ich bin nicht blutrünstig veranlagt.«
    »Haben Sie jemals jemanden getötet?«
    Er zögerte einen Moment. »Nein«, sagte er dann. »Aber ich habe jemandem das Leben gerettet.«
    Julia hatte sich Janeys wendigen kleinen Ford ausgeliehen, um damit zur Dinner-Party zu fahren. Sie hatte unbedingt vor den anderen Gästen bei Richard Watson eintreffen wollen.
    Als sie nun den Rückweg antraten und in getrennte Wagen stiegen, beschwerte sich Janey: »Wie schade, daß du es mit der Pünktlichkeit so genau genommen hast, Julia. Sonst hätten wir jetzt gemeinsam zurückfahren und uns über den Abend unterhalten können.«
    »Wie ich dich kenne, Liebling«, ließ ihr

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