Die Entscheidung
deutlicher wurde.
»Sie erinnern sich doch an den Namen, den ich erwähnt habe?«
»Ja.«
»Nun, was können Sie mir über ihn sagen?«
»Absolut nichts.«
O’Rourke beugte sich vor. »Ach, kommen Sie, Irene. Ich habe ein Recht auf eine Antwort.« Irene Kennedy saß weiter schweigend an ihrem Platz. »Können Sie mir nicht wenigstens sagen, ob Sie ihn kennen?«
Irene Kennedy hatte sich vorher gut überlegt, wie sie reagieren würde. »Michael, ich möchte Ihnen eine Frage stellen«, sagte sie schließlich. »Wenn irgendjemand – sagen wir, einer Ihrer Kollegen – zu mir kommen würde und mich fragte, ob ich Ihren Großvater kenne – was sollte ich dann Ihrer Meinung nach antworten?«
O’Rourke begann nervös mit seinem Ehering zu spielen. Er hatte befürchtet, dass Irene Kennedy dieses Thema anschneiden würde – und deshalb war es ihm nicht leicht gefallen, zu ihr zu gehen. Heute Morgen hatte er noch gehofft, eine rasche Antwort von ihr zu bekommen, als sie sich auf seinem vertrauten Terrain bewegt hatten – doch er hätte sich denken können, dass sie es ihm nicht so leicht machen würde. Die Geschichte, die er hinter sich hatte, war ziemlich schmerzlich gewesen und hatte schließlich ein blutiges Ende genommen. Nachdem O’Rourke das Marine Corps verlassen hatte, begann er für Senator Olson zu arbeiten. Sein bester Freund, Zimmergenosse und Kollege in diesen wilden Jahren war Mark Coleman, der jüngere Bruder von Scott Coleman. Eines Abends auf dem Nachhauseweg kam Mark auf tragische Weise ums Leben; er wurde von einem Drogensüchtigen, der wegen Überbelegung aus dem Gefängnis entlassen worden war, ermordet. Für O’Rourke war das ein unglaublicher Schock. Zu der Zeit, als er um seinen Freund trauerte, hörte er von einer missglückten Geheimoperation, für deren Scheitern ein prominenter Senator verantwortlich war. Bei diesem Vorfall waren ein Dutzend SEALs ums Leben gekommen. Der Kommandeur dieser SEALs war niemand anders als Scott Coleman gewesen, Marks älterer Bruder. Michael hatte eine Weile mit sich gerungen, ob er Coleman verraten sollte, dass Senator Fitzgerald schuld am Scheitern der Operation in Libyen war. Es war O’Rourkes Großvater Seamus, der ihn schließlich überredete, Coleman die Wahrheit zu sagen. Sein Argument war ebenso einfach wie zwingend:
Wenn Michael noch im Corps wäre und seine Männer auf diese Weise ums Leben gekommen wären, so würde er auch wissen wollen, wer dahinter steckte.
O’Rourke sollte seinen Entschluss, Coleman den Schuldigen zu nennen, bald bitter bereuen. Etwa ein Jahr nachdem er ihm verraten hatte, welche Rolle Senator Fitzgerald bei der Sache gespielt hatte, hörte O’Rourke, dass Fitzgerald und zwei andere prominente Washingtoner Politiker ermordet worden waren. In dem Blutbad, das sich über die gesamte folgende Woche hinzog, kamen noch eine Reihe weiterer Prominenter ums Leben, darunter Senator Olson und der Sicherheitsberater des Präsidenten. Am schlimmsten für O’Rourke war jedoch die Tatsache, dass auch sein Großvater in die Sache verwickelt war; er hatte Coleman und seine zornigen SEALs bei ihrer kleinen Revolution nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch bei den Planungen mitgeholfen.
Direktor Stansfield hatte O’Rourke versichert, dass die Rolle von Scott Coleman und Seamus O’Rourke niemals der Öffentlichkeit preisgegeben würde. Nicht einmal Präsident Hayes oder sein Vorgänger Präsident Stevens kannten die ganze Geschichte.
O’Rourke beschloss, dass es am besten war, gar nicht auf Dr. Kennedys Frage einzugehen, und nahm einen neuen Anlauf. »Wissen Sie zufällig, wer Anna Rielly ist?«
»Natürlich.«
»Wissen Sie auch, dass sie mit Mitch Rapp zusammen ist?«
»Wenn Sie es sagen.«
»Kommen Sie, Irene, weichen Sie mir nicht aus. Ich will eine ehrliche Antwort.«
»Ich weiche Ihnen nicht aus, Michael. Sie haben mir meine Frage nicht beantwortet.«
»Welche Frage?«, erwiderte O’Rourke stirnrunzelnd.
Mit ruhiger Stimme wiederholte Irene ihre Frage. »Wenn jemand zu mir käme und mich nach Ihrem Großvater fragen würde, was sollte ich dann Ihrer Meinung nach antworten?«
»Ich wüsste nicht, was Mitch Rapp mit meinem Großvater zu tun haben sollte.«
Irene Kennedy sah ihm direkt in die Augen. »O doch, das wissen Sie sehr gut«, sagte sie. »Ich weiß, dass Sie sehr wohl verstehen, um welchen Grundsatz es dabei geht. Es ist ein Grundsatz, der in diesem Geschäft überaus wichtig ist – vielleicht der
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