Die Entscheidung
war eine Straßensperre aufgebaut, vier Einsatzwagen der Gendarmerie blockierten die Weiterfahrt. Zuckendes Blaulicht erhellte die Nacht und wurde von den Häuserfassaden zurückgeworfen. Die Geräusche waren seltsam gedämpft, was vermutlich am aufkommenden Nebel lag. Die Nacht war kalt geworden, aber nicht so frostig wie ihr Innerstes, das in diesem Augenblick sibirische Züge annahm.
Dass sie schlampiger als üblich arbeitete, wusste sie schon länger. Aber dass sie sich so einfach in einen Hinterhalt hatte treiben lassen, war mehr als schlampig, es war unentschuldbar.
Vor und hinter ihr befanden sich Absperrungen der Gendarmerie, der einzige Fluchtweg, die Gasse, aus der sie gekommen war, wurde von mittlerweile einem Dutzend Algerier versperrt. Ohne sich den Weg freizuschießen, konnte sie nicht zurück, was bei dem aktuellen Polizeiaufgebot nicht ratsam war.
Hinter den Einsatzfahrzeugen parkten zwei Mannschaftswagen der Gendarmerie. Die Türen flogen auf, und Männer mit Klemmbrettern sprangen heraus. Sie zweifelte nicht daran, dass ihr Foto darauf prangte. Diese Burschen hatten sie erwartet, und sie war ihnen wie ein blutiger Anfänger ins Netz gegangen. Innerlich schüttelte sie den Kopf über ihre Dummheit. Das kam davon, wenn man sich zu sicher fühlte, das Ergebnis von Arroganz und Ignoranz.
Neben ihr schloss ein H & M seine Pforten, genau wie McDonalds, aus dem die letzten Gäste strömten. Die Beleuchtung erlosch von Etage zu Etage, bis nur noch die Schaufenster erhellt waren und die Straße in gespenstisches Licht hüllten. In der Vorweihnachtszeit hatten die Geschäfte normalerweise bis Mitternacht geöffnet, seit den Anschlägen war eine Sperrstunde von zehn Uhr verhängt worden.
In die Läden konnte sie also nicht mehr, und die Wohnungen über den Kaufhäusern wurden von Posten kontrolliert. Verdammter Mist, die Leute mussten ihren Ausweis vorzeigen, war das zu fassen? Wer immer diese Nummer eingefädelt hatte, war kein Amateur. Sie war eingeschlossen zwischen der Rue les Déchargeurs und der Rue des Halles.
Wie auf ein Stichwort blockierte in diesem Moment ein Einsatzwagen der Polizei die Seitengasse, aus der sie gekommen war. Die Algerier hatten sich vom Acker gemacht, war ja klar.
Da sie nicht vorhatte, hier und jetzt Polizisten abzuknallen, die im Grunde nur ihren Job machten, entschloss sie sich für eine andere Strategie. Sie schlug die Kapuze ihres schwarzen Kurzmantels hoch, tastete nach einem Jack Knife und stopfte ihre Hände ich die Außentaschen, während sie auf die Kontrollposten zuhielt. Die erste Überraschung erlebte sie, als sie einfach durchgewinkt wurde. Der Mann mit dem Klemmbrett erwiderte ihr honigsüßes Lächeln und machte keine Anstalten, sie aufzuhalten. Danach war es mit ihrer Glückssträhne vorbei, denn hinter der Gendarmerie befand sich das Militär. Die Soldaten kontrollierten die Passanten ein weiteres Mal und tasteten sie nach Waffen ab. Ein Uniformierter winkte sie aus der Schlange und bedeutete ihr, zu ihm zu treten. Er war größer als sie, vermutlich um die einsfünfundsiebzig, und trug ein FAMAS Sturmgewehr aus der Waffenschmiede von St. Etienne. Das FAMAS-F1 wurde für eine mittlere Einsatzdistanz von rund 300 Metern entwickelt und war in der Lage Gewehrgranaten zu verschießen. Der Rückstoßlader konnte bis zu 1100 Schuss in der Minute abgeben. Nicht gut. Ein Blick auf das Magazin verriet ihr, dass dieser die Standard-Magazinfüllung intus hatte, die zwischen fünfundzwanzig und dreißig Patronen enthielt.
„Kapuze abnehmen“, wies er sie an, und kniete sich vor sie, ohne ihre Reaktion abzuwarten. Anscheinend war das Fahndungsfoto derart körnig, dass diese Männer sie in der Nebelsuppe nicht erkannten. Als er mit dem Abtasten begann, hielt sie ihm das Jack Knife an den Hals und durchtrennte mit einem zweiten Messer den Trageriemen seines Sturmgewehrs. Langsam ließ sie es zu Boden gleiten, dann beugte sich zu ihm und flüsterte: „Aufstehen, und zwar lentement, kapiert?“
Sein Adamsapfel hüpfte beim Schlucken auf und ab, dann nickte er knapp und tat, wie ihm geheißen.
„Ich will dich nicht abmurksen, aber wenn du rumzickst, lässt du mir keine Wahl.“ Sie deutete mit dem Kopf zum Ausgang der Sperre, wo weitere Soldaten mit ihrem Steckbrief warteten, und jeden, der aus dem Kessel wollte, ein drittes Mal kontrollierten. Mist. Es wäre besser gewesen, in eine der Wohnungen zu flüchten und über den Hinterhof zu verschwinden. Jetzt war es zu
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