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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
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innen nach außen und einem gleichzeitig geführten Ellenbogenschlag beförderte er den Herrn des Ostens in die Horizontale. Zumindest versuchte er es. Ohne ihn loszulassen, fing sich Tchort mit der freien Hand ab, wobei ihm das Dach entgegenzukommen schien. Das hatte er davon, sich mit einem Erdbändiger anzulegen.
    „Ich mag es nicht, wenn man mich unterbricht, und dann auch noch in dieser Weise“, knurrte Tchort, der den Griff um seinen Hals verstärkte. Wind kam auf, und tintenschwarze Wolken zogen sich um das Bahnhofsdach zusammen. Donner grollte, und ein Blitz fuhr herab, den Beliar mit einem Feuerwirbel ablenkte und neben Tchort einschlagen ließ. Der Wind verstärkte sich und türmte immer mehr Wolken auf, bis der Herr des Nordens von einer Böe erfasst wurde, die ihn über das Dach schob.
    „Ascloneti!“ Auf die Knie! , rief er. Tchort schrie vor Schmerzen auf.
    Es war unmöglich, sich dem Befehl der Unterwelt zu widersetzen, alle Dämonen waren an die Macht der unaussprechlichen Worte gebunden. Sich ihnen entgegenzustemmen, stand im Widerspruch mit allen Beliar bekannten Naturgesetzen. Dennoch gelang Tchort das Kunststück, wenn auch unter großen Qualen. Ein Mensch wäre nicht in der Lage, ein infernales Machtwort auch nur zu formulieren. Allein der Versuch, eines der unaussprechlichen Worte in den Mund zu nehmen, führte zum sicheren Tod. Umso beeindruckender war Tchorts Leistung, der aufrecht vor ihm stand und eine Flut von Blitzen auf ihn niederprasseln ließ.
    Woher bezog er die Energie für diesen Kraftakt? Wann war der Schwarze Gott derart mächtig geworden, und wieso war ihm diese Tatsache entgangen?
    Beliar stoppte die Blitze mit Feuer und schüttelte fasziniert den Kopf. „Bei allen Höllenhunden, du bist stark geworden, alter Mann“, sagte er und trat auf ihn zu.
    „Und du bist der gleiche arrogante Hurensohn, der du schon immer warst. Unbeherrscht und ungezügelt. Hast du in den letzten fünfhundert Jahren nichts dazugelernt?“
    Beliar hob eine Braue. „Aus der Rolle des Lehrmeisters bist du jedenfalls nicht herausgewachsen.“
    „Mir wäre es lieber, wenn ich dich nicht belehren müsste. Aber du wusstest ja schon immer alles besser.“
    Darauf brach Beliar in dunkles Gelächter aus, in das Tchort kopfschüttelnd einfiel. Und so schnell, wie der Kampf begonnen hatte, endete er.
    „Sag mir, Magistel, wie konntest du unbemerkt zu so großer Macht gelangen?“
    „Die größten Geschenke bekommt man durch Hingabe und Erkenntnis, junger Tirok.“ Das Lachen war aus Tchorts Stimme verschwunden, und auch Beliars Miene wurde ernst.
    „Wir Dämonen wissen, was es bedeutet, Druck und Schmerzen über einen langen Zeitraum ausgesetzt zu sein. Dabei sind die Narben, die uns zeichnen, nichts, verglichen mit denen unserer Seele.
    Wenn du am Ende einer langen Wegstrecke auf dein Leben zurückblickst und begreifst, welche Chancen du vertan hast, weil du den falschen Zielen hinterhergejagt bist, kommen dir die Qualen der Hölle wie ein Kindergeburtstag vor.“
    Beliar nickte. Er wusste genau, wovon sein einstiger Waffenbruder sprach.
    „Ich hatte zwanzig Jahre Zeit, abzukühlen, und mir zu überlegen, wie ich mit Saetan verfahren werde.“ Er trat auf Beliar zu, ergriff seine Schulter und drückte sie leicht.
    „Ich werde ihn zerstören, junger Freund, koste es, was es wolle.“ Das Gold einer Augen blitzte auf und mischte sich mit den diffusen Honigtönen seiner Iris. Der Zug um seinen Mund wurde bitter, und plötzlich dämmerte es Beliar.
    „Du weißt, woher er seine Kraft bezieht.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Dass Saetan wieder erstarkte war kein Geheimnis, doch niemandem war die Quelle bekannt.
    „Wie viel Zeit bleibt uns?“, erkundigte sich Beliar.
    „Nicht viel.“
    „Das ist keine Antwort.“
    „Zwei Tage, vielleicht drei.“
    Ungläubig trat er einen Schritt zurück. Drei Tage? Er war davon ausgegangen, dass ihnen Wochen blieben, womöglich Monate. Aber drei Tage?
    „Das muss ein Witz sein.“
    „Ich wünschte, es wäre so.“
    „Wie kann er innerhalb dieser kurzen Zeit …“ Er hielt inne, als er Tchorts gequälten Ausdruck bemerkte.
    Und dann verstand er. Beliars Hände ballten sich zu Fäusten, die Nackenmuskeln spannten sich an, während sein Kiefer mahlte, als würde er Steine kauen. Gleichzeitig durchforstete er sein Hirn, das nur langsam in die Gänge kam, nach Lösungen.
    „Wir werden Hilfe brauchen.“
    „Das, mein Freund, versuche ich dir die

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