Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
Vom Netzwerk:
Brunch zusammengekommen.
    Schön wär’s. Heute Nacht mussten sie den verdammten Zirkel bilden, mit einem fehlenden Süden, der Andrej half, das Portal zu verrammeln. Versagte ihr Freund, was beim aktuellen Stand der Dinge zu erwarten war, wäre Paris eine offene Bühne für eine Neuauflage der Rocky Horror Picture Show , so viel war sicher.
    Cam blieb von dieser Aussicht unberührt. Sie schenkte Ramirez ein scheues Lächeln, vermutlich wollte sie nicht, dass er ihren schiefen Schneidezahn sah. Oder sie war über Nacht schüchtern geworden, ja klar.
    Der Kubaner rieb sich den Nacken und fragte leise: „Ich fahre jetzt zu den niños, chica, kommst du mit?“
    „Würde ich mir eine Trainingseinheit mit dir entgehen lassen?“, zirpte Cam und wechselte von Andrejs Arm zu Ramirez.
    Heilige Scheiße, das hatte ihnen gerade noch gefehlt. Wobei sich Blanche fragte, wen Camille eifersüchtig machen wollte, Ramirez oder Andrej. Letzterer wirkte genauso ratlos wie Blanche und sah den beiden mit hochgezogenen Brauen nach.
     
    *
     
    Marcel versenkte beide Hände in die Taschen seiner Anzughose und blickte aus dem Fenster. Vor einer Stunde war Blanche in den Klub gekommen, und vor zwanzig Minuten hatte Enzo ihn angewiesen, dass in den nächsten vierundzwanzig Stunden niemand das Hauptquartier verlassen oder betreten durfte. Darüber hinaus hatte er die Kinder und Nella am Nachmittag in den Bunker zu bringen. Wenn Enzo sich bis zum Morgen nicht melden würde, sollte er die famiglia ausfliegen. So lautete der Befehl, und was das hieß, war klar.
    Heute Nacht lief ein ganz großes Ding, und Enzo hatte ihm den Schutz seiner Familie übertragen. Vermutlich nicht ihm allein, aber er vertraute ihm so weit, dass er diejenigen in seine Obhut gab, die ihm lieb und teuer waren, während er als Familienoberhaupt seinen Feinden gegenübertrat. Das schmeckte ihm nicht. Enzo würde sich nicht allein mit Sergej treffen, Blanche wäre bei ihm, sowie seine treuesten Leibwächter.
    In den letzten Wochen hatte er kaum Gelegenheit gehabt, mit ihr zu reden, geschweige denn, mit ihr allein zu sein. Telefonisch war sie auch nicht zu erreichen, entweder wechselte sie ständig ihre Rufnummer oder das Handy. Einzig Enzo schien darüber auf dem Laufenden darüber zu sein, wo sie gerade steckte. Und er teilte sein Wissen nicht, was Marcel ärgerte. Als er in Paris angekommen war, schien Enzo ganz versessen darauf zu sein, sie wieder zusammenzubringen. Nun war davon nichts mehr zu spüren.
    Was er stattdessen wahrnahm, war die zunehmende Anspannung, die sich in der Stadt ausbreitete, was fast schon symbolisch für Blanches und seine Beziehung war. Sie wurde immer mehr zu einem Kraftakt. Über Nacht hatte sich Stille wie eine Schneedecke über den Klub gelegt. Alles schien sich zu verlangsamen, wirkte intensiver, geschärft.
    Es war die Ruhe vor dem Sturm.
    Marcel stieß den Atem aus, er hatte nicht mal bemerkt, dass er ihn angehalten hatte. Langsam schüttelte er den Kopf. Er konnte das nicht tun. Konnte Blanche heute Nacht nicht allein lassen in einer Schlacht, die über das Schicksal der Stadt entscheiden würde – ihre Zukunft. Dennoch war er hin- und hergerissen, immerhin hatte er Enzo Treue gelobt. Doch es ging um Blanche, wie konnte er sich vor diesem Hintergrund in einen Bunker verkriechen?
    Er zögerte noch einen Augenblick, dann tastete er sein Jackett nach dem Mobiltelefon ab und drückte die Kurzwahltaste für seine rechte Hand.
    „Si?“
    „Wo bist du, Ramirez?“
    „Beim Training mit den niños.“
    „Komm rüber, ich brauch dich im Klub.“
    „Qué pasa?“
    „Ich habe einen Job für dich.“
     
    *
     
    Das Leben konnte ein launisches Miststück sein, dachte Camille, als Ramirez ihr mitteilte, dass das Training für heute beendet war. In den vergangenen Wochen waren diese Einheiten zu ihrem Tageshighlight geworden. Erbärmlich, keine Frage, aber immerhin ein Silberstreif am Horizont. An manchen Tagen hatte sie das Gefühl, an ihrem Hass auf diese Welt zu ersticken und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Je mehr sie versuchte, ihre Wut zu unterdrücken, desto größer wurde sie. Es fühlte sich an, als würde etwas in ihr zerspringen, während ihre Verbitterung jeden Tag kleine Stücke aus ihr herausriss.
    Als Blanche nur eine Geschichte war, die Andrej ihr ab und zu erzählte, war es auszuhalten gewesen. Dann konnte sie ebenfalls eine Episode aus der Vergangenheit beitragen.
    Da sie die Einzigen waren, die Blanche

Weitere Kostenlose Bücher