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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
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hingen sie seit einer Stunde in Enzos Bibliothek fest, und Madame zickte wie zu erwarten herum. Am liebsten hätte sie ihr die SIG in den Mund gesteckt und ihr die Wahl gelassen. Cam war in den letzten Jahren dermaßen verblödet, dass sie auch gut ohne Hirn weiterleben konnte.
    Innerlich seufzte sie. Wenn es so einfach wäre. Cam war bitter geworden, nicht dumm. Dennoch war es ihre Entscheidung, sich in den Sog der Bitterkeit ziehen zu lassen und alten Groll zu pflegen, statt ihn auszuräumen, oder?
    Ungeduldig rieb sie sich den Nacken. Sie hatte gut reden, immerhin war sie in all den Jahren nie allein gewesen. Cam war ihre Freundin im Heim, später hatte Andrej diese Rolle übernommen, dann Wayne, der sie ausgebildet und geführt hatte. Marcel kam danach und nun war Beliar ihr Fels in der Brandung.
    Wer hatte Cam zur Seite gestanden? Sie wusste es nicht, und ein Teil von ihr fühlte sich mies, weil es sie herzlich wenig interessiert hatte. Statt durch die Wut ihrer Freundin zu sehen, war sie wie ein Kiesel, der über die Oberfläche eines Sees hüpfte, daran abgeprallt. War sie nicht genauso gewesen? Immer zornig, ständig schlecht gelaunt? Was, wenn Beliar sie ebenso schnell abgeschrieben hätte wie sie ihre einstige Gefährtin und Komplizin?
    Blanche gefiel nicht, wohin ihre Gedanken sie trugen. Früher war es einfacher gewesen, sich eine Meinung zu bilden. Die neue Blanche machte sich zu viele Gedanken, das war verdammt verwirrend.
    „… dann frag doch Leonie, sie war ja auch sonst immer die Lösung für alles“, giftete Cam in diesem Augenblick und riss sie aus ihren Gedanken.
    Blanche verachtete Menschen, die berechenbar waren, und Cams Vorstellung bildete keine Ausnahme. Das hier war der Prototyp einer Situation, die sie noch vor wenigen Wochen mit Gewalt gelöst hätte. Schnell und effektiv. Allerdings hatte Beliar ihr eingeschärft, dass sich Cam ihnen freiwillig anschließen musste, und das passte nicht zu dem, was sie im Sinn hatte. Ganz und gar nicht.
    Doch es passte auch nicht mehr zu ihr, und der innere Kampf , den sie deswegen ausfocht, verursachte ihr Kopfschmerzen. Immer wieder wanderte ihre Hand zum Waffenholster, doch als sie Cams unterdrücktes Schluchzen wahrnahm, schlich sich ein anderes Gefühl in ihre Brust und drückte zu.
    Cam hatte niemanden, sie war vollkommen allein. Zugegeben, diese Suppe hatte sie sich selbst eingebrockt, doch was als Selbstschutz begann, wurde mehr und mehr zu einem Kerker. Sie war gefangen in einem System, dass sie erschaffen hatte, um der Welt, die sie umgab, den Schrecken zu nehmen. Ein Kontrollsystem, das mittlerweile das Ruder übernommen hatte. Cam kontrollierte schon lange nicht mehr ihre Handlungen, sondern die Rolle, die sie eingenommen hatte, um sich vor ihrer Umwelt zu schützen.
    Blanche massierte ihre Schläfen. Dieser und ähnlicher Bockmist ging ihr mittlerweile täglich durch den Kopf. Was war nur mit ihr los, hatte sie sich irgendwas eingefangen? In jedem Fall fehlte ihr für diesen Psychoscheiß die Zeit.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte sie Ramirez, der sich seit einer Weile an der offenen Tür zur Bibliothek rumdrückte. In den letzten Wochen waren er und Cam sich nähergekommen. Sie begleitete das Training, das der Kubaner mit den Halbdämonen absolvierte. Das war Enzos Idee gewesen. Cam hatte kaum einen Fuß in den Klub gesetzt, schon war sie ihm und seinen Jungs mit ihrer zickigen Art auf den Zeiger gegangen. Aus diesem Grund hatte er ihr eine Aufgabe übertragen, die sie möglichst oft vom HQ fernhielt. Ramirez schien der Einzige zu sein, der eine Schwäche für sie hatte.
    Blanche gab ihm ein Zeichen, einzutreten, möglicherweise hatte seine Gegenwart eine beruhigende Wirkung auf ihre bockige Freundin. Tatsächlich entspannte sich ihre Schulterpartie, als sie den hünenhaften Kubaner bemerkte. Er zwinkerte ihr kurz zu, bevor er sich Blanche zuwandte. Als sie Cams leichte Röte bemerkte, runzelte sie die Stirn. Interessant.
    Bevor sie das Wort an Ramirez richten konnte, trat Cam näher zu Andrej, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte mit ungewohnt sanfter Stimme: „Also schön, von mir aus. Ich werde darüber nachdenken, okay?“
    Blanche blinzelte. Hatte sie etwas verpasst? Andrej schien genauso überrascht zu sein wie sie, denn er blickte mit gefurchter Stirn zu ihr. Sie zuckte mit den Schultern und beobachtete mit wachsendem Befremden, wie sich Cam bei ihm unterhakte und zu ihnen schlenderte, als wären sie zu einem gemütlichen

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