Die Entscheidung
nahegestanden hatten, schweißte sie das irgendwie zusammen. Natürlich kannten die Kids Blanche aka Leonie, immerhin war sie eine von ihnen gewesen. Aber das war mittlerweile so lange her, dass die Erinnerung an das wilde Mädchen, das den Nonnen die Stirn geboten hatte, mehr und mehr verblasst war.
Nicht bei ihr. Camille wusste, dass ihre Eifersucht auf Blanche das Gift war, das sie langsam auffraß und ihr Leben in eine sprichwörtliche Hölle verwandelte. Und doch, was konnte sie dagegen tun, jetzt da sie mit der Heldin des Monats festsaß?
Camilles Hände ballten sich zu Fäusten. Sie wusste, dass der Zorn auf ihre einstige Freundin rational nicht zu rechtfertigen war, aber das Wissen machte es kein bisschen besser. Sie hasste Blanche aus ganzer Seele, und immer, wenn sie etwas brauchte, um die Wut loszuwerden, dachte sie an ihre Freundin wie an einen Blitzableiter. Blanche, die Verräterin. Blanche, die sie im Stich gelassen, und ihr nun den Mann stahl, den sie zehn verdammte Jahre geliebt hatte.
Immer war sie an Blanches Seite gewesen, hatte ihr in jeder Lebenslage geholfen. Wenn sie erwischt wurden, war sie nicht weggerannt, sie war geblieben. Doch jedes Mal hatte Blanche die Anerkennung für ihre Raubzüge durch die klösterlichen Speisekammern eingeheimst. Blanche war der Ruhm zugeflogen, sie war immer nur irgendwie dabei gewesen. Wie ein Statist, dem man nicht mal eine lausige Zeile zugestand. Als sie flüchten wollte, war Camille fest entschlossen gewesen, ihr zu folgen, doch Blanche hatte anders entschieden. Sie wollte erst mal einen Unterschlupf finden, befürchtete, dass die Lebensmittelvorräte nicht reichten. Sie hatte ihr versprochen, dass sie zurückkommen würde, sie zu holen.
Aber daraus wurde nichts. Kurz nach Blanches Flucht wurde eine Untersuchung einberufen, danach hatte man das Heim umquartiert. Und ihre Freundin wurde zu einer Legende. Nach ein paar Jahren machten alle möglichen Geschichten die Runde, nur wenige entsprachen den Tatsachen. Und in keiner davon war sie vorgekommen, immer nur Blanche.
Während sie in diesem elenden Heim festsaß, hatte die heilige Blanche Andrej getroffen und die Freiheit genossen. Danach wurde ihr eine erstklassige Ausbildung bei diesem Wayne zuteil, von der sie nur träumen konnte.
In den Monaten nach ihrer Flucht war Cam sich zunehmend wie ein verloren gegangenes Gepäckstück vorgekommen, das niemand abholen kam. Nutzlos. Wertlos. Irgendwie hatte ihr wachsender Hass ihr auch geholfen. Er war etwas, auf das sie sich konzentrieren konnte, das ihr Halt gab, denn er war immer da, eine verlässliche Größe, die sie nie verließ.
Als Alex die Leitung des Heims übernahm, durften sie zum ersten Mal kämpfen, und endlich wurde ihr Leben erträglicher. Man hatte sie und eine Handvoll anderer Kids nach eingehenden Tests ausgewählt, eine Haustruppe zu bilden, die im Notfall die Verteidigung übernehmen sollte. Erst Jahre später fand sie heraus, dass Miceal sie wie Versuchskaninchen überwachen ließ. Er wollte herausfinden, wie sie sich auf diesem Gebiet entwickelten, denn der Gedanke, dass sie als Halbdämonen Waffen bekamen, schmeckte dem Erzengel nicht. Dennoch war die Zeit des planlosen Wegsperrens vorbei. Sie bekamen Aufgaben zugeteilt, und endlich fand sie ein Ventil für ihre angestaute Wut.
Und dann kam Andrej. Er hatte im Auftrag des Engels für Blanche gesorgt, bis Zoey sich den Jungen geschnappt hatte und die gute Blanche verschwunden war.
Andrej hatte ihrem Leben eine neue Richtung gegeben. Er kam von der Straße, hatte bereits mehrere Morde auf dem Kerbholz und war genau der Typ, zu dem sie in ihrer Verzweiflung aufsehen konnte. Er half ihr im Kampf, verbesserte ihre Technik und machte sie schneller. Nicht lange, und es stellte sich heraus, dass er der geborene Anführer war. Das war nichts, was er wollte, es lag in seiner Natur. Er war ein Entscheider mit kristallklarem Verstand.
Alles hätte wunderbar sein können, wäre da nicht Blanches Schatten, der ihr Glück verfinsterte wie eine dunkle Wolke, die sich ständig vor die Sonne schob. Und ihre Sonne hieß Andrej. Für ihn war sie eher wie ein Mond, der sich ab und zu vor seine eigene Sonne schob, die Blanche hieß.
Camille fand die rustikale Art des Wiedersehens der beiden seltsam, irgendwie hatte sie etwas Spektakuläreres erwartet. Was genau, wusste sie nicht, vielleicht Tränen der Rührung, lange Abende vor dem Kamin, zumindest ein Besäufnis – etwas in der Art. Stattdessen fiel
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