Die Entscheidung
verlassen.“
War ja klar, dass sie ihr die langweiligste Aufgabe übertragen hatten.
„Kann das nicht jemand anderes machen?“
Tchort schüttelte den Kopf. „Niemand von uns ist in der Lage, diesen Part übernehmen. Anker kann nur jemand mit Lichtblut sein, das stark genug ist, der Finsternis zu trotzen, und denjenigen, die hinabsteigen, den Weg zu weisen. In der Hölle kann man sich leicht verirren, mein Kind.“
Also schön, das klang schon besser. Sie brauchten einen mentalen Muskelprotz, der Saetans Heerscharen standhielt, die zweifellos die Gelegenheit nutzen würden, der Hölle zu entfliehen. Bei der Vorstellung, dass der Teufel vor Wut explodieren würde, wenn sie ihm abermals die Stirn bot – und damit davonkam – umspielte ein Lächeln ihre Mundwinkel.
Oh ja, sie wäre ihr dämlicher Anker, null problemo.
*
Nachdem Nella ihre kleine Geschichte vom Stapel gelassen hatte, in der Camilles Leben an einem seidenen Faden hing, während Ramirez und sie in einem Bunker saßen und Wollmäuse jagten, hatte der Kubaner eine Reihe von Flüchen ausgestoßen, die sie noch nie zuvor gehört hatte. Starke Leistung, wenn man bedachte, dass sie bis vor Kurzem Prostituierte war. Dennoch hätte sie schwören können, dass sie so rot anlief, dass sich selbst ihre Haare verfärben. In jedem Fall stand endgültig fest, dass sie einen Volltreffer gelandet hatte: Ramirez empfand etwas für Blanches seltsame Freundin. Was er in ihr sah, war ihr ein Rätsel, ihr freundliches Wesen war es jedenfalls nicht. Cam war so anziehend wie ein Stinktier in der Brunft. Andererseits … na ja, vermutlich gab es nicht viele Menschen, die in Blanche etwas Liebeswertes sahen, zumindest nicht auf den ersten Blick.
Nachdem sie das Horrorszenario über Cams unvermeidliches Ableben ausgemalt und ein bisschen in der Wunde gestochert hatte, wurde Ramirez weich. Danach änderte sie die Taktik. Akribisch nahm sie Marcels Befehl auseinander, der den Kubaner angewiesen hatte, auf sie aufzupassen und mit seinem Leben zu beschützen. Vom Bunker war nie die Rede gewesen.
Am Ende bot sie großzügig an, ihn zu begleiten, damit er ein Auge auf Cam werfen konnte, und zu ihrer nicht unwesentlichen Überraschung hatte er irgendwann nachgegeben. Der Knackpunkt bestand darin, dass er Marcels Befehl folgen musste, deswegen hatte er ursprünglich vorgehabt, sie mit einem halben Dutzend seiner besten Männer in den Schutzraum zu sperren.
Das konnte er vergessen. Entweder sie kam mit, oder sie würden alle bleiben. Natürlich half es, dass sie die einzige war, die Blanches und damit Cams Aufenthaltsort kannte.
Warum er deswegen schmollte, verstand sie nicht. Folgte er ihrem Szenario , verstieß er zumindest nicht gegen Marcels Anweisung, schließlich sollte er auf sie aufpassen, nicht seine Jungs. In ihrer Variante würde er sie in gewisser Weise beschützen, wenn auch nur vor ihrer Platzangst. Mehr musste er laut Marcel schließlich nicht tun.
Nach einigem Hin und Her und etlichen Vorsichtsmaßnahmen brachen sie endlich auf, allerdings nicht, ohne ein halbes Dutzend von Marcels Elite mitzunehmen.
Da der Bahnhof abgesperrt war, benutzten sie die Tunnel, um zum Gare du Nord zu gelangen. Zuerst die stillgelegte Metro, danach die Fluchttunnel. Kaum zu glauben, wie zerlöchert die Stadt unter dem Asphalt war. Gänge, jede Menge Abzweigungen und nochmals Gänge. Es würde sie nicht wundern, wenn die französische Metropole eines Tages einfach so im Erdboden versinken würde bei all den Stollen und Unterführungen. Womöglich würde heute Nacht genau das geschehen.
Eigentlich war Brutus noch nicht fit für einen derartigen Ausflug, doch sie hatte es nicht übers Herz gebracht, das verzweifelt jaulende Etwas zurückzulassen. Zuerst trug sie ihn selbst, doch ihr Hund war kein Fliegengewicht. Nachdem sie von ihrer Last schweißgebadet war, wies Ramirez einen der Männer an, Brutus zu übernehmen, wofür sie ihm ausgesprochen dankbar war.
Obwohl der Klub nur zwei Kilometer vom Bahnhof entfernt war, kam es ihr vor, als würde die unterirdische Klettertour Stunden dauern. Das lag nicht zuletzt daran, dass sie immer wieder ihre Route ändern mussten, da Spürhunde der Gendarmerie das Gebiet nach Sprengstoff durchsuchten. Hierbei entpuppte sich Brutus als ausgesprochen nützlich, denn er witterte die Belgischen Schäferhunde, lange bevor man die Polizisten hören konnte.
Als sie den Bahnhof nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten, waren mindestens
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