Die Entscheidung
musste auch noch die verdammte Hölle evakuiert werden, weil sich Engel darin befanden. Ihre Mutter, um genau zu sein. Das musste ihr Glückstag sein.
Aestarohs Grollen wurde lauter, als er sich umsah und Andrej entdeckte.
„Wo ist das Mädchen?“
„Sie wird uns nicht helfen.“ Das kam von Beliar, der von Aestarohts wachsendem Ärger unbeeindruckt blieb. Sie dagegen war kurz davor, sich in die Hose zu pinkeln. Beliar war riesig, doch der Herr des Westens überragte ihn um eine Kopflänge. Und, oh Mann, er sah echt eklig aus. Wie eine Gottesanbeterin, die man zu lange gebraten hatte, groß und knochig, mit dunkelbrauner Haut und einem länglichen Kopf. Er hätte Marbueels Patenonkel aus Äthiopien sein können, bestimmt verstanden sich die beiden prima.
Jetzt trat er einen Schritt vor, und diese Geste hatte etwas Bedrohliches an sich.
„Willst du mir sagen, dass ich meinen Herrn für einen unausgegorenen Plan verraten habe?“
„Du hast deinen Herrn verraten“, sagte Beliar und machte ebenfalls einen Schritt in seine Richtung, „weil er ein Schwächling ist, der es nicht verdient hat, unser Souverän zu sein.“ Er trat einen weiteren Schritt auf ihn zu, bis sie sich auf Armeslänge gegenüberstanden. „Er hat Fehler gemacht, einen nach den anderen, und in seiner grenzenlosen Eitelkeit hat er es versäumt, den Platz des Herrn des Ostens zu besetzen, aus Angst, dass Tchort ihn übertreffen könnte.“
„Und hatte er damit nicht recht?“, konterte Aestaroh und beugte sich vor, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Hitze ging in Wellen von ihm aus, und sie glaubte, verbranntes Haar zu riechen.
„Tchort ist schon jetzt mächtiger als du und ich“, fuhr er zornig fort. „Wenn Saetan ihn in den Stand eines Erzdämons gesetzt hätte, wäre er eine unberechenbare Größe geworden.“
„So denkt ein schwacher Anführer, der seine Warlords nicht in ihre Grenzen weisen kann“, erwiderte Beliar ruhig, der sich weigerte, zurückzuweichen. Aestaroh stieß ein Fauchen aus, bei dem sich ihre Haare aufstellten. Dabei war es wenig hilfreich, dass der Herr des Westens das Gebiss eines Aliens vorzuweisen hatte.
Moment mal. Sie blickte in die Runde und runzelte die Stirn. Er war der Herr des Westens, richtig? Und sie stand ebenfalls für den Westen. Sie mochte kein e Leuchte in Mathe sein, aber hierfür reichte es noch: Ihre Position war doppelt besetzt.
„Ähm, Beliar?“ Sie zog ungern die Aufmerksamkeit auf sich, doch wenn hier ein Fehler vorlag, mussten sie ihn schnellstmöglich korrigieren.
Doch die beiden schenkten ihr keine Aufmerksamkeit, sie waren mit geistigem Armdrücken beschäftigt. Ungeduldig ließ sie Wind aufkommen und trennte die Streithähne mit einer kräftigen Böe. Dabei fiel ihr auf, dass lediglich Beliar zurücktaumelte. Aestaroh blieb von dem Element, das sie teilten, unberührt. Gut zu wissen, dass sich der Wind nicht gegen seinen Gebieter richtete. Sie speicherte diese Information im Hinterkopf ab.
„Wir haben keine Zeit für diesen Scheiß“, blaffte sie, trat auf Beliar zu und bohrte den Zeigefinger in seine Brust. Wenn Blicke töten könnten, läge sie jetzt vermutlich mit gebrochenem Genick auf den Schienen. Aestarohs mörderischer Ausdruck lag wie eine unverhohlene Drohung auf ihr und versprach unaussprechliche Qualen. Bevor Beliar abermals einschreiten konnte, hob sie eine Hand und berührte ihn sachte am Ärmel.
„Lass das, Beliar, wir haben ein Problem.“ Also ehrlich, warum hatte außer ihr niemand daran gedacht? War es wirklich zu viel verlangt, dass die Wächter die Himmelsrichtungen kurz durchzählten, bevor sie loszogen? Immerhin gab es nur vier. Dass der Süden nicht voll besetzt war, war ihnen doch auch aufgefallen, also ehrlich.
„Der Westen ist zweifach belegt …“ Sie deutete zu Aestaroh, der sie nicht aus den Augen ließ. Doch es war Tchort, der ihre unausgesprochene Frage beantwortete. Er trat zu ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter, wie um sie zu beruhigen.
„Wir brauchen dich nicht, um den Westen zu vertreten, Leonie.“
Äh …
„Du bist unser Anker, mein Kind.“
„Euer … was?“
Tchort und Beliar wechselten einen Blick, der nichts Gutes verhieß. Anscheinend war es Beliars Aufgabe gewesen, sie in die Feinheiten des Zirkels einzuweihen.
„Es braucht vier Dämonen, einen Zirkel zu öffnen, und einen Anker.“
„Wozu das denn?“
„Der Anker ist das Band, das den Dämonen erlaubt, die Hölle zu betreten und sie wieder zu
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