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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
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kontrollieren.“
    So wie er das sagte, klang das karoeinfach.
    Nach einem zarten Kuss auf ihre leicht geöffneten Lippen trat er zurück an seinen Platz. Tchort tat nichts dergleichen. Er legte eine Hand auf ihre Wange und wirkte trauriger denn je. Bei seinem Anblick zog sich alles in ihr zusammen. Am liebsten hätte sie sich ihm an den Hals geworfen. Etwas sagte ihr, dass dies ein Abschied war, dabei hatte sie ihn gerade erst kennengelernt. Seine Schwere ging auf sie über, und sie musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, nicht in Tränen auszubrechen.
    Fokussieren! , dachte sie, und schluckte einen Kloß hinunter.
    „Du siehst deiner Mutter so ähnlich“, sagte er leise und strich mit einer Hand über ihr Haar.
    Oh Mann, so etwas konnte sie nicht gebrauchen, nicht hier, nicht jetzt. Eine einsame Träne stahl sich in ihre Augenwinkel und bahnte sich einen feuchten Weg über ihre Wange.
    „Sieh mich an“, flüsterte er, und sie erkannte, dass auch er gegen Tränen kämpfte.
    „Du hast ihre Augen“, flüsterte er, „und ihren Mut.“ Er nahm sie in den Arm und küsste ihre Schläfe. „Ich liebe dich, mein Kind, vergiss das nie.“ Mit diesen Worten drückte er ihr etwas in die Hand und schloss ihre Finger darum.
    Es fühlte sich kühl und glatt an, wie Glas, doch sie kam nicht dazu, darüber nachzusehen, denn im nächsten Moment küsste er ihre Stirn und trat zurück an seinen Platz. Er nickte Aestaroh zu, der das Tor für sie öffnen würde. Blanche wartete auf eine blöde Bemerkung vom Herrn des Westens, von wegen rührseliges Tamtam und so, doch überraschenderweise schwieg er. Womöglich hatte er ebenfalls jemanden zurückgelassen, was wusste sie schon?
    Sie hatte den Gedanken noch nicht beendet, als Wind aufkam, und zwar einer, der es in sich hatte. Der Boden tat sich auf und riss die massiven Sandsteinplatten aus den Fugen. Ein gewaltiger Wirbel baute sich auf, durchstieß das Glasdach und schraubte sich mit seiner Fracht in den Himmel.
    Na toll, jetzt wussten die Einsatzkräfte Bescheid und würden in wenigen Minuten die Halle stürmen. Wenn sie klug waren, hielten sie Abstand, immerhin wussten sie, was mit der Rue d’Orsei und dem Eiffelturm geschehen war. Doch sie hatte keine Zeit, sich um das Militär zu sorgen. Immer mehr Erde wurde in die Höhe gerissen, wobei sie sich in der Mitte des Strudels befand, sozusagen im Auge des Sturms. Sie stand auf einer Art Stele, während ringsum alles in die Luft gerissen würde, als hätte jemand einen gigantischen Staubsauger eingeschaltet. Wie durch einen Nebel erkannte sie eine Feuerwand, die den Zirkel wie ein Ring aus Flammen umgab. Als Nächstes spaltete sich der umherfliegende Modder und schloss den Kreis ein, eine unbezwingbare Wand aus Erdreich, die sich gegen den Uhrzeigersinn bewegte. Zweifellos war das Tchorts Werk, der sein Element bändigte, was bedeutete, dass das Portal im Begriff war, sich zu öffnen.
    Eigentlich hatte sie angenommen, dass die Hölle ein metaphorischer Ort wäre, kein realer, schon gar nicht einer, der sich unter ihren Füßen befand. Darum wunderte sie sich, dass der Wirbel aus den Eingeweiden der Erde zu kommen schien und kilometerweit in die Höhe schoss. Aber vielleicht war das bloß ein Sinnbild, damit sie sich den Hades besser vorstellen konnten. Denn mal ehrlich, wenn man sich dem Planeten aus den Weiten des Weltalls näherte, gab es kein oben oder unten. Aus Sicht der universellen Perspektive war alles einfach nur da, im Sinne von Sein .
    Innerlich schüttelte sie den Kopf. Woher zum Teufel kamen diese Gedanken? Die Frage wurde im nächsten Moment beantwortet, als sie Beliars Präsenz in ihrem Geist spürte. Bevor sie wusste, was sie tat, verwandelte sich ihre linke Hand zur Faust, die Hand mit dem Glas. Doch es war kein Glas, wie sie entsetzt feststellte, sondern eine Fiole. Es dauerte eine Millisekunde, bis sie begriff, was er getan hatte. Fassungslos hielt sie die Lichtpatrone in der Linken, die sie soeben zerbrochen hatte.
    Na toll , war ihr letzter Gedanke, dann dachte sie nichts mehr.

12
     
     
    A ls Marcel auftauchte, wusste Nella, dass sie in Schwierigkeiten steckten, aber das war nichts gegen den Schrecken, als Ernesto plötzlich vor ihr stand. Seinem Gesichtsausdruck nach war er schwer von ihr enttäuscht und sie kam nicht umhin, schuldbewusst den Kopf zu senken.
    Sie befanden sich in der ersten Etage der Haupthalle im Bereich des Eurostar Terminals. Von hier aus hatte man einen guten Blick über die

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