Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
Vom Netzwerk:
sich zu verkriechen, denn Angst war feige. Sie flüchteten tiefer in den Untergrund, auf Saetans Schutz hoffend, doch den würde sie sich als Erstes vornehmen.
    Sich im Hades zu bewegen war anders als auf der Erde. Hier dachte man an sein Ziel, schon war es da. Man selbst bewegte sich nicht in der Welt, sondern die Welt bewegte sich rundum. Man wurde zum Zentrum einer imaginären Galaxie, die nur im eigenen Kopf existierte. So wie jeder die Hauptrolle in seinem Leben spielte, war man in der Hölle der Star einer One-Man-Show, die sich nur um sich selbst drehte. Ein El Dorado für Egomanen und narzisstische Spinner.
    Wenn sie hier wirklich die Sau rauslassen konnte, und Saetan glaubte, er könnte sie auf diese Weise ködern, hatte sie noch etwas zu erledigen. Abermals schloss sie die Augen und dachte an … Ithuriel .
    Der Engel war zu einem Schatten geworden, sein inneres Licht beinahe verloschen. Mehr als zwanzig Jahre war sie in Saetans Krallen gewesen, doch erst in den letzten vierundzwanzig Stunden hatte er sie ausbluten lassen wie Vieh auf der Schlachtbank. Um sich dem Kampf zu stellen, hatte er ihre Lebenskraft geraubt, um auf diese Weise zu erstarken. Ohne nachzudenken , hob sie die Hand und berührte ihre Mutter mit Zeige- und Mittelfinger auf der Stirn. Sie spürte den Energiefluss, bevor sie ihn sah. In ihren Ohren rauschte es, die Luft knisterte, während sich die Atmosphäre mehr und mehr auflud. Elektromagnetische Strahlung, besser bekannt als Licht, breitete sich aus, und mit ihr flammte Ithuriels Lebensfunke auf. Mit der neu gewonnenen Lebensenergie verlor sie paradoxerweise ihre Gestalt, wurde reine Energie, gefangen in einer Hülle, die Saetan ihr übergestülpt hatte, um sie zu isolieren.
    Plötzlich war Tchort an ihrer Seite – oder hatte er sich die ganze Zeit dort befunden? In jedem Fall streckte er eine Hand aus und ritzte Ithuriel mit ausgefahrener Kralle das Brustbein auf. Von Saetans unsichtbarem Korsett befreit, breitete sich Ithuriels Licht wie ein strahlender Stern in einem Schwarzen Loch aus.
    Das kollektive Stöhnen zahlloser gefangener Seelen erschütterte die Finsternis, die unter Qualen vor ihnen zurückwich. Im Angesicht reiner Energie spürte Blanche eine neue, wachsende Kraft, destillierter Hass, so pur und roh, dass er in seiner Hässlichkeit fast schon wieder schön war.
    Im nächsten Moment wurden Tchort und Blanche von den Beinen gerissen, als die Gravitation der Dunklen Materie sie erfasste.
    Ich bin der Anker , dachte Blanche und heftete ihr ganzes Sein an diesen Gedanken. Sie war der Anker, und nichts und niemand konnte das ändern, es sei denn, es war ihr Wunsch. Saetan konnte versuchen, in ihrem Geist herumzupfuschen, aber wenn er glaubte, sie würde loslassen, kannte er sie schlecht.
    Das Ziehen nahm zu, sodass sie sich vorkam, als würde sie in einen überdimensionalen Ventilator gezogen. Doch ein silbriges Band, dünn wie eine Spinnwebe, hielt sie an Ort und Stelle.
    Ich. Bin. Der. Verfickte. Anker.
    Ihr neues Mantra im Geiste wiederholend, bemerkte sie zunächst nicht, dass die Dunkle Kraft nicht nur sie aufzusagen versuchte, sondern auch das Licht.
    Ithuriels Leuchten wurde schwächer, während der Sog zunahm.
    Dieser Mistsack von Teufel lutschte sie schon wieder aus.
    „Genug!“, donnerte Tchort, und sandte eine komplizierte Abfolge dunkler Blitze ins Zentrum des Schwarzen Lochs.
    Danach geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
    Ithuriel verschwand wie durch einen Rauchabzug Richtung Erdoberfläche. An ihrer Stelle materialisierte sich Beliar. Wo der so schnell hergekommen war, konnte sie nicht erklären, aber letztendlich war das auch egal. Er und Tchort standen an der gleichen Position wie auf der Bahnplattform, Beliar im Norden, Tchort im Osten. Für einen Moment fragte sie sich, ob dies eine Reflektion war, eine Art Fata Morgana. Ob sie in Wahrheit noch immer oben standen und die Hölle im Grunde nur ein dunkler Spiegel dessen war, was sich in ihrem Kopf abspielte.
    In jedem Fall waren die beiden um ein Vielfaches ihrer ursprünglichen Größe angewachsen und murmelten unaussprechliche Worte der Dämonensprache. Einen Wimpernschlag später befand sich Aestaroh bei ihnen und bildete zusammen mit den anderen ein gleichschenkliges Dreieck, das sich um Blanche gruppierte.
    Sie fühlte, wie die Finsternis vor den Dämonen erzitterte. Ob aus Angst oder Zorn konnte sie nicht sagen, denn bevor sie es kommen sah, dehnte sich das Schwarze Loch trichterförmig aus und weg

Weitere Kostenlose Bücher