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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
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Schulterkragen und schwarzem Habit bestand. Falten waren wie Ackerfurchen in ihr Gesicht gegraben. Die hohlen Wangen ließen ihr ohnehin spitzes Gesicht noch eingefallener aussehen.
    Woran sie sich besonders gut erinnerte, waren die schmalen Lippen sowie der stahlharte Blick ihrer graublauen Augen. Leblose Augen.
    Diese richteten sich nun auf Blanche.
    Wissend verzog die Oberin den Mund. Sie wusste, wenn einer ihrer Schützlinge etwas ausgefressen hatte , und versuchte nicht, ihre Vorfreude auf das, was zweifellos kommen würde, zu verbergen.
    Blanche musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um nicht vor ihr zurückzuweichen. Sie spürte ihre Beine nicht, um ehrlich zu sein, fühlte sie gar nichts mehr. Sie war zu einem winzigen Punkt zusammengeschrumpft, der nur aus Angst und Panik zu bestehen schien. All die Furcht, die sie als Kind mit coolen Sprüchen kaschiert hatte, drohte sie hier und jetzt zu zerquetschen.
    Blanche schloss die Augen und nahm einen zittrigen Atemzug. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, es war, als wäre ihr Gehirn zu einem Klumpen roter Grütze zusammengeschmolzen.
    Als sie das nächste Mal durchatmete, fiel ihr auf, dass etwas anders war.
    Einatmen.
    Es war der Geruch. Bei der Mutter Oberin stank es normalerweise nach Chlor und alter Frau, was sie mit Lavendelbeuteln zu überdecken versuchte. Hier roch es … nach Espresso mit einem Hauch von Zimt?
    Beim nächsten Atemzug konzentrierte sie ihr ganzes Sein auf das belebende Kaffeearoma, bis sie von Wärme erfüllt wurde.
    Ausatmen.
    Blanche, sie war Blanche, nicht Leonie.
    Einatmen.
    Beliar war hier, zweifellos atmete sie seinen unübertrefflichen Starbucks-Duft ein.
    Ausatmen.
    Er liebte sie, und sie liebte ihn.
    Bei diesem Gedanken ließ die Oberin das Lineal auf den Schreibtisch krachen, sodass es zerbrach.
    Blanches Lider flogen auf, ihr Blick schärfte sich. Die Furcht war noch da, doch diesmal ließ sie sich nicht von ihr konsumieren. Sie spürte sie, und spülte sie mit jedem Ausatmen wie ein Gift aus ihrem Körper, der sich mehr und mehr entspannte.
    Angst war etwas Erlerntes, damit wurde man nicht geboren. Und in den letzten Monaten hatte sie begriffen, dass sie nicht allein war. Beliar stand ihr bei, er befand sich an ihrer Seite. Sie spürte auch Miceals Präsenz, der ihr Licht sandte, das sie dankbar annahm, und in ihre angstverpesteten Zellen leitete. Sie konnte jede Unterstützung brauchen, denn ihr war klar, wen sie vor sich hatte. Dies war nicht die Mutter Oberin, sondern Saetan höchstpersönlich, der die Form ihres schlimmsten Albtraums angenommen hatte.
    Mutter Teufelin war aufgestanden und umrundete den Schreibtisch, das abgebrochene Lineal in der Hand.
    „Was willst du?“, fragte Blanche mit einer Stimme, die von weither zu kommen schien.
    „Du gehörst mir“, sagte sie in einem Ton, der beinahe sexy klang.
    Irritiert runzelte sie die Stirn. Die Stimme der Mutter Oberin hatte irgendwie hohl geklungen. Außerdem endeten ihre Sätze immer mit einer Frage, selbst wenn sie keine stellte. Der Eindruck entstand, da sie die letzte Silbe eine Oktave höher aussprach, als den Rest, was eine Macke von ihr war. Eine von vielen.
    „Ich gehöre niemandem“, erwiderte sie, und diesmal klang sie schon mehr wie sie selbst.
    Die Oberin streckte ihren dürren Zeigefinger nach ihr aus. „Dämonenblut“, ergänzte sie, als wäre damit alles geklärt.
    Blanche hob einen Mundwinkel. „Und Lichtblut.“
    „Dämonenblut ist stärker“, zischte die Teufelin. Sie verengte die Augen zu Schlitzen und trat einen weiteren Schritt auf sie zu.
    „Falsch“, entgegnete Blanche ruhig. „Das, wofür ich mich entscheide, ist stärker, und ich habe meine Wahl getroffen.“
    „Dann wirst du sterben.“
    Seltsamerweise hatte sie nie Angst vor dem Tod gehabt, und das hatte nichts mit ihrem Job zu tun. Sterben stellte sie sich immer friedlich vor. Man schloss die Augen, und das war’s. Keine Ängste mehr, keine Sorgen – keine Träume, die einen verfolgten. Man war fein raus.
    Seit sie wusste, dass es eine Seele gab, und das war gerade mal ein paar Wochen her, hatte sich ihr Blickwinkel verschoben. Beliars Ausführungen über den Hades, der die Hölle nie als Ort, sondern als einen Zustand beschrieb, hatten ebenfalls dazu beigetragen.
    Leo hatte ihr einmal gesagt, dass sterben nicht schwer sei. Dass es viel mehr Mut brauchte, sich dem Leben zu stellen und aus Fehlern zu lernen. Später hatte sie ihn gefragt, wie sie verhindern könne,

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