Die Entscheidung
malaysischen Nachrichten gesehen hatte, schaltete sie auf CNN um, um die englische Version zu hören. Der Nachrichtensender stellte den Weltranglistendritten Joe Wright-Newman in den Fokus, der aus unbekannten Gründen Opfer einer Protestaktion bei der Eröffnung einer neuen Luxus-Golf-Hotelanlage auf der malaysischen Insel Langkawi geworden war.
Die Tatsache, dass Helena an einer weltweit gesendeten Aktion beteiligt war, lieà sie sich ein bisschen besser fühlen. Immerhin kam sie sich weniger isoliert vor als zuvor, als nur sie und ein paar hiesige Aktivisten dem Inselgouverneur und seiner Polizeimacht gegenübergestanden hatten.
Kurz nach sechs Uhr morgens klingelte das Telefon neben ihrem Bett. Der Anruf kam von der Rezeption: Ein Kurier mit einem Paket sei für sie da, und er bestehe darauf, dass sie es persönlich entgegennahm und sich auswies.
Das kam ihr zwar ein wenig verdächtig vor, aber gleichzeitig ging Helena davon aus, dass die Polizei längst in ihr Zimmer gestürmt wäre, wenn sie hätte verhaftet werden sollen. Schnell schlüpfte sie in Shorts, Turnschuhe und eine ihrer Golfblusen. Im Erdgeschoss angekommen, führte die Rezeptionistin sie eine Treppe zur Tiefgarage des Hotels hinunter.
Der Kurier trug die schicke Uniform einer internationalen Versandfirma und hatte ein groÃes rechteckiges Paket dabei. Nachdem er sich Helenas Pass angesehen hatte, reichte er ihr ein Klemmbrett mit einem Formular.
»Was ist das?«, fragte sie langsam, in der Hoffnung, dass der malaysische Kurier sie verstehen würde.
»Zollerklärung«, erwiderte er. »Für den Import.«
Helena nickte und füllte das Formular aus. Vollständiger Name, Passnummer, Heimatadresse in GroÃbritannien und die Unterschrift, die bestätigte, dass sie
das Paket in unbeschädigtem Zustand entgegengenommen hatte. Nach diesen Angaben musste sie ein weiteres Mal unterschreiben, auf einem elektronischen Pad.
SchlieÃlich händigte ihr der Kurier das geheimnisvolle Paket aus, das auf dem Boden zwischen seinen FüÃen gestanden hatte.
»Schönen Tag noch«, wünschte er, bevor er ging.
Der Karton war leicht und nicht sonderlich gut verpackt. Helena stellte ihn auf einem Poller ab und riss die Deckelklappe auf. Als ihre schwarzen Pumps und ihre Diesel-Jeans zum Vorschein kamen  â die Jeans war jetzt schmutzig und hatte einen Riss am Hintern  â, klappte Helena der Unterkiefer herunter.
Panisch sah sie sich auf dem Parkplatz um. Er war völlig verlassen, und sie fühlte sich wie in einer der Filmszenen, in der plötzlich ein Killer hinter einem Betonpfosten hervorspringt oder ein Transporter mit hundertfünfzig Sachen und quietschenden Reifen die Rampe herunterrast und einen über den Haufen fährt.
Aber nichts geschah, und Helena gelangte ohne Zwischenfall zum Aufzug und in ihr Stockwerk. Dort stand allerdings ihre Zimmertür offen, und ihr wurde schlagartig klar, dass das Paket nur ein Ablenkungsmanöver gewesen war, um so unauffällig wie möglich in ihr Zimmer zu gelangen. Ein Zimmermädchen packte ihre Sachen zusammen und neben ihrem Bett stand Michael Stephens.
Helena nahm all ihren Mut zusammen, um sich empört
zu beschweren. »Das sind meine Privatsachen! Dazu haben Sie kein Recht!«
»Miss Bayliss«, begann Michael aalglatt wie immer und wies zum Balkon. »Das ist Mr Singh von der malaysischen Einwanderungsbehörde.«
Mr Singh schnippte eine Zigarette weg und trat ins Zimmer. Er war ein schlanker, ziemlich verweichlicht aussehender Mann mit einer glänzenden Plastikaktentasche.
»Bitte setzen Sie sich an den Schreibtisch«, forderte er sie auf.
Helena gehorchte misstrauisch und setzte sich, sodass die verwinkelte Schreibtischlampe zwischen ihnen hing.
»Ist das Ihre Handschrift?«, fragte Mr Singh und schob ihr ein Stück Papier zu. Es war die Kopie des handschriftlich adressierten Bücherpakets, das sie Aizat ein paar Wochen nach ihrer ersten Kontaktaufnahme geschickt hatte.
Sie nickte. »Ja, das ist meine Handschrift. Ist es verboten, Bücher nach Malaysia zu schicken?«
»Nein«, bestätigte Mr Singh. »Es sei denn, es handelt sich um pornographische oder verbotene Bücher. Wir können nicht beweisen, was in diesem Paket war. Aber in Ihrer Bewerbung für den Besuch in Malaysia haben Sie erklärt, dass Sie als Reisejournalistin arbeiten wollen. Haben
Weitere Kostenlose Bücher