Die Entscheidung
Land zu verlassen, und ein solch auffälliges Verhalten würde ihr auch nicht gerade weiterhelfen, wenn sie auf unschuldig machen wollte.
Während Helenas Gedanken sich überschlugen, rechnete sie jeden Augenblick damit, dass ihre Zimmertür aufgerissen würde. Aber nichts dergleichen geschah, und gegen drei Uhr morgens glaubte sie allmählich, dass es auch nicht mehr geschehen würde. Sie hatte einem Polizisten ein Bein gestellt und sich mit Aizat getroffen. Welche Beweise gab es sonst schon?
Kurze Zeit später gab sie den Gedanken an Schlaf endgültig auf und schaltete den riesigen Flachbildschirm an der Wand hinter ihrem Bett ein. Sie zappte
sich durch die Programme und blieb schlieÃlich an einem malaysischen Nachrichtenkanal hängen, als sie die Namen Tan Abdullah und Joe Wright-Newman auf dem Schriftband am unteren Bildrand las.
Da der Nachrichtensprecher Malaiisch sprach, verstand sie auÃer den Namen kein Wort. Trotzdem saà sie gebannt auf dem Bettrand und beobachtete den Bildschirm, bis hinter dem Nachrichtenmann das Foto von Tan Abdullah auftauchte. Gleich darauf wurde der Feder-Angriff gezeigt. Jetzt konnte Helena das Geschehen noch viel deutlicher erkennen als von ihrem Platz ganz hinten im Speisesaal, und sie musste zugeben, dass das Entsetzen auf den Gesichtern von Tan Abdullah und seinen hochbezahlten Promigästen wirklich sehenswert war.
Der amerikanische Golfer und die Opernsängerin hatten fast ebenso viel vom Feuerlöscher abbekommen wie der Gouverneur, und Helena wurde klar, dass genau dieser Umstand dafür sorgen würde, dass die Nachrichtensendungen in aller Welt davon berichteten.
Und vielleicht würden ein paar sogar die Gründe anführen, die hinter dem Protest standen. Plötzlich spürte Helena Bewunderung für Aizat und sein cleveres Vorgehen. Der Siebzehnjährige hatte seinen Plan mutig in die Tat umgesetzt und die Macht der Prominenz genutzt, um seiner Kampagne Publicity zu verschaffen. Zugleich musste Aizat sich im Klaren darüber gewesen sein, dass er von Tan Abdullahs Polizeischergen gefasst werden würde.
Zum ersten Mal seit dem Angriff dachte Helena nicht mehr an sich selbst und hoffte, dass es Aizat und seinen Kameraden gut ging.
»Oh, du böses kleines Schweinchen«, höhnte die Polizistin, als sie wieder in den Vernehmungsraum kam und Aizat den Knebel aus dem Mund riss.
Inzwischen waren zweieinhalb Stunden vergangen, in denen er alle drei Minuten einen Elektroschock auf die FuÃsohlen bekommen hatte. Die krampfhaften Zuckungen hatten mehrmals zu spontanen Darmentleerungen geführt, in deren Ergebnis er sich vor Schmerzen wand. Es stank erbärmlich, doch die Frau war daran ebenso gewohnt wie ein Schweinebauer an Stallmist.
»Bereit zu gestehen?«, fragte sie.
Aizat dachte an die Helden in seinen Büchern, die heroisch der Folter getrotzt hatten, und kam sich erbärmlich vor, weil ihm stattdessen die Tränen übers Gesicht liefen.
»Alles!«, schluchzte er. »Wenn das hier nur aufhört!«
»Was für ein Glück du doch hast«, zischte die Vernehmungsbeamtin und wies die beiden Wärter an: »Bringt ihn hier raus, spritzt ihn mit Desinfektionsmittel ab, zieht ihm saubere Sachen an und steckt ihn in eine der klimatisierten Zellen unten.«
Die beiden Polizisten sahen sie erstaunt an. »Aber er ist völlig gebrochen«, stieà einer von ihnen hervor. »Er würde gestehen, seine eigene GroÃmutter umgebracht
zu haben, wenn Sie ihm die Papiere vor die Nase halten.«
»Sein kleiner Publicity-Gag ist in aller Welt in den Nachrichten«, erklärte die Frau. »Star TV, BBC, CNN. Also kein erzwungenes Geständnis und keine schnelle Verurteilung vor einem hiesigen Richter. Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet, und der Gouverneur sagt, dass bei dem hier alles streng nach Vorschrift gehen muss.«
»Sieht so aus, als wäre heute doch dein Glückstag, Aizat«, sagte einer der Polizisten, als er die Fesseln von seinen Gelenken löste. »Hoch mit dir, Junge.«
Aizats verbrannte FuÃsohlen schmerzten höllisch, als er sie in die Urinpfütze vor dem Tisch setzte, und wenn ihn der Wärter nicht unter dem Arm gepackt hätte, wäre er einfach vornübergekippt. Dennoch musste Aizat unwillkürlich lächeln.
Wenn die Welt sah, was Tan Abdullah mit seinem Dorf gemacht hatte, dann war es das wert gewesen.
Nachdem Helena die
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