Die Entscheidung
Artikel auf dem alten PC in ihrer Wohnung zu schreiben.
Sie dachte daran, ihre Eltern anzurufen und ihnen zu sagen, dass sie in Schwierigkeiten steckte  â oder zumindest welche bekommen könnte. Aber sie war weit weg von zu Hause, da konnten sie sowieso nicht viel tun, auÃer sich Sorgen machen, und sie stellte sich vor, wie ihre Mutter furchtbar weinen würde.
Helena lieà sich aufs Bett fallen und lauschte ihrem pochenden Herzschlag. Sie konnte kaum fassen, dass sie so naiv gewesen war, sich da hineinziehen zu lassen. Sie stellte sich vor, wie alle über das dumme englische Mädchen lachen würden, das sich mit einer Gruppe verrückter Einheimischer eingelassen hatte, die Autos abfackelte und Politiker und berühmte Golfer teerte und federte.
»Ich bin ja so blöd«, schalt Helena sich selbst, rollte sich auf dem Bett zusammen und brach in Tränen aus.
Um drei Uhr morgens war Aizat plötzlich hellwach, als ein Wärter an seiner Tür rüttelte. Seine FüÃe quatschten auf dem schleimigen Zellenboden, als er zur Gittertür
ging, um seine Hände durch den Schlitz zu stecken und sich Handschellen anlegen zu lassen. Der Gefangene, der in der Hofmitte hockte, stöhnte gequält, als Aizat an ihm vorbeigeführt wurde.
Der Verhörraum befand sich im Inneren des Polizeigebäudes im zweiten Stock. Zwei Wärter stieÃen ihn grob weiter, schubsten ihn gegen die Wände und benutzten seinen Kopf, um eine Tür aufdrücken. Sie wollten, dass er sich wehrte, damit sie einen Grund hatten, die Schlagstöcke und das Pfefferspray einzusetzen, die an ihren Gürteln hingen.
In dem hell erleuchteten Raum standen ein Tisch und zwei Stühle und eine untersetzte Polizistin lehnte an der Wand. Aizats Bücher waren hoch auf dem Tisch aufgestapelt. Ganz oben lagen jene über Karl Marx und Che Guevara und andere Kommunisten, darunter Bücher über StraÃenkämpfe und Terrortaktiken.
»Setz dich, Aizat«, befahl die Frau und schickte seine beiden Begleiter hinaus. »Nicht so schüchtern, du bist nicht der erste nackte Verdächtige, den ich zu Gesicht bekomme.«
»Ist ja nur ein Mittel, um mich zu erniedrigen«, funkelte Aizat sie an.
Die Vernehmungsbeamtin zuckte mit den Achseln. »Ich arbeite schon seit zehn Jahren für die Sicherheitsabteilung des Gouverneurs. Meine Aufgabe ist es, Strenge walten zu lassen gegenüber allen, die ihn verärgern.«
Aizat betrachtete die Bücher vor sich. »Dann lassen
Sie mich mal raten: Ich bin ein Kommunist und ein Terrorist. Eine groÃe Bedrohung für die Staatssicherheit. Sie wollen mich wegsperren und den Schlüssel wegwerfen.«
Die Frau lachte. »Man muss schon ziemlich dumm sein, um Gouverneur Abdullah auf seiner eigenen Insel anzugreifen. Das Einzige, was du tun kannst, um deine Lage zu verbessern, ist, ein vollständiges Geständnis zu unterzeichnen. Du gibst zu, ein Terrorist zu sein. Du zeigst alle an, die deiner Organisation angehören, und unterwirfst dich der Rechtssprechung eines Richters. Du bist erst siebzehn. Vielleicht kriegst du nur fünf Jahre, und wenn du dich benimmst, Bewährung.«
Aizat schüttelte den Kopf. »Ich habe den Gouverneur mit einem Feuerlöscher besprüht und mit Federn beworfen und Flugblätter verteilt. Das werde ich gestehen, aber nicht diesen Haufen Lügen.«
»Denk darüber nach«, lächelte die Frau. »Wenn du einen auf harter Mann machen willst, werden wir die anderen Zeugen zu einem Deal bringen und sie Erklärungen unterschreiben lassen, in denen steht, dass du ein Terrorist bist, der geplant hat, Sprengstoff zu kaufen und Bomben zu bauen. Dafür bekommst du dreiÃig Jahre und sie werden freigelassen.«
Aizat deutete auf die Bücher. »Das da beweist gar nichts auÃer meiner intellektuellen Neugier. Auf dem Tisch dort liegen genauso viele Bücher über konservative Politiker wie über Kommunisten. Da sind auch drei Bücher über Ghandi  â und der war Pazifist!«
Die Vernehmungsbeamtin wischte mit dramatischer Geste einige der Bücher vom Tisch und trommelte ungeduldig mit einem Finger gegen ihre Schläfe. »Du solltest mal Folgendes in deinen Schädel bekommen, Aizat: Das hier hat rein gar nichts mit der Wahrheit zu tun. Es geht um Gouverneur Abdullah. Du hast ihn vor Hunderten von Menschen, der Presse und dem Fernsehen gedemütigt. Glaubst
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