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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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Sinneswahrnehmung, sondern Gefühl. Ein so starkes Gefühl, dass sie erzitterte. Es war ein unschuldiger Kuss, ein keuscher Kuss . Sein warmer Mund berührte ihren. Seine Lippen zitterten auf ihren. Wie konnte etwas so Schlichtes sie so sehr bewegen?
    Weil sie seine Gefühle spüren konnte, begriff sie. Durch die Berührung seiner Lippen spürte sie seinen Schmerz, den fast unerträglichen Schmerz einer Person, deren Herz vor Traurigkeit zerbrach. Auf diesen warmen,
weichen Lippen schmeckte sie einen unerträglichen Verlust. Wenn er gestorben wäre oder wenn sie gestorben wäre, hätte sie einen solchen Kuss verstehen können. Aber …
    Er leidet so sehr – weil er mich verliert? Jenny war zwar nie übermäßig bescheiden gewesen, aber das konnte sie kaum glauben. Wahrscheinlich hätte sie diese Vorstellung weit von sich gewiesen – wenn sie es nicht selbst gefühlt hätte.
    Sie fühlte … wie in ihr etwas zerbrach.
    Als Julian zurücktrat, war Jenny in einer Art Trance. Sie stand da, die Augen geschlossen, und konnte noch immer alles fühlen, außerstande, sich zu bewegen. Tränen stiegen ihr in die Augen.
    Aber … Tom.
    Da war jener Tag in der sechsten Klasse, als er sich in einem Wassertümpel das Bein gebrochen hatte, weiß im Gesicht, aber immer noch zu Witzen aufgelegt. Er hatte Jennys Hand gehalten und niemandem gezeigt, wie schlimm der Schmerz war. All die vielen Male, in denen er Jenny im Arm gehalten hatte, wenn sie sich im Kino fürchtete oder wenn sie wegen der streunenden Tiere weinte, die sie aufnahm. Er war die ganze Nacht aufgeblieben, als sie fürchtete, Cosette, das Kätzchen, das sie von einem leeren Grundstück gerettet hatte, würde sterben. Er war ein Teil ihres Lebens, seit sie sieben gewesen war. Er war ein Teil von ihr.

    Und Julian hatte ihm wehgetan. Julian hatte ihm von Anfang an keine Chance gelassen.
    Jenny öffnete die Augen; ihre Trance war vorüber. Sie trat zurück und sah, wie Julians Gesicht sich veränderte. Als wüsste er genau, was sie dachte.
    »Tom braucht mich«, sagte sie.
    Julians bitteres Lächeln verjagte auch den letzten Rest der Visionen, die Jenny eben noch gehegt hatte. Der verlorene, gehetzte Ausdruck war verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben.
    »Oh ja. Tom braucht dich wie Luft. Aber ich brauche dich wie …«
    »Was?«, fragte Jenny, als klar war, dass er nicht weitersprechen würde.
    »Wie Licht«, antwortete Julian. »Du bist Licht für mich, genauso – wie eine Flamme für eine Motte. Ich habe dir einmal gesagt, dass du nicht mit verbotenen Dingen experimentieren solltest – ich hätte meinen eigenen Rat besser beherzigen sollen.«
    »Licht sollte nicht verboten sein«, sagte Jenny.
    »Für mich ist es das. Für einen Schattenmann ist es tödlich. Licht tötet Schatten, weißt du das nicht? Und natürlich anders herum.«
    Er schien das amüsant zu finden. Seine Stimmung hatte sich so abrupt gewandelt, dass Jenny sich jetzt, als sie in sein Gesicht sah, fragte, ob die letzte halbe Stunde ein Traum gewesen war.

    »Glaub bloß nicht, das Spiel sei vorüber, nur weil ich dich aus dem Wasser gezogen habe«, fügte er hinzu. »Du brauchst drei Goldmünzen, um zu deinem kostbaren Tommy zu kommen. Und die Zeit läuft  …«
    »Eine Münze habe ich schon, vergiss das nicht. Ich …« Jenny brach mit einem unverständlichen Laut ab und tastete in ihrer Jeanstasche. Das Schweizer Armeemesser war noch da, aber die Dublone, die Julian ihr in der anderen Höhle zugeworfen hatte, war verschwunden.
    »Aber ich hatte sie. Sie muss herausgefallen sein …«
    »Tut mir leid. Nur ein Versuch pro Runde. Keine Wiederholung. Geh nicht über Los, kassiere keine zweihundert Dollar.«
    »Du …« Jenny brach wieder ab. Ihr Zorn verlor sich, aber sie spürte, wie etwas in ihr sich verhärtete, sich mit Eis überzog. Na schön. Sie musste verrückt gewesen sein, Mitleid mit Julian zu haben – Julian! –, aber jetzt wusste sie es besser. Sie waren Gegner, wie immer, und spielten gegeneinander in einem Spiel, das genauso berechnend und unerbittlich war wie Julian selbst.
    »Ich werde die Münzen bekommen – wenn du mir die Chance dazu gibst. Hier drin kann ich nicht viel tun«, sagte sie.
    »Stimmt. Die Ausgangstüren sind auf der linken Seite. Pass bitte auf, wo du hintrittst, und bleib in Bewegung. Wir hoffen, dass Sie die Fahrt genossen haben.«

    Jenny drehte sich um und sah ein Rechteck aus fahlem Licht – das zuvor nicht da gewesen war.
    Sie holte tief

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