Die Entscheidung
immer wieder alles darauf hinaus, nicht wahr?«, erklang Julians Stimme.
Er bewegte sich aus der Dunkelheit in den Lichtkreis der drei Scheinwerfer. Er trug ein T-Shirt mit aufgekrempelten Ärmeln, eine schwarze Weste und schwarze Schuhe. An seinem Oberarm prangte eine Art Armreif. Er wirkte weltgewandt und barbarisch zugleich, wie jemand, dem man vielleicht nachts in einem finsteren Stadtteil begegnen mochte. Wie irgendein Straßenkind, das kein Zuhause hatte, dessen blaue Augen jedoch zu viel Wissen widerspiegelten.
Summer warf einen Blick auf ihn und duckte sich hinter Dee.
Jenny fühlte sich im Nachteil. Eigentlich stand Julian genau da, wo die nächste Szene aufgebaut sein sollte –
aber es wirkte vielmehr so, als seien die fünf in dem leichten Plastikboot die Darsteller der Show. Julian hatte die perfekte Position, um zu beobachten, was mit ihnen geschah – und sie konnten nicht einmal aufstehen, ohne zu riskieren, dass sie kenterten.
»Ihr habt euch geirrt, was das Schild an diesem Tunnel betrifft«, bemerkte Julian lässig. Er stand ganz locker da und schien ihre Reaktion zu genießen. »Es ist nicht der Tunnel der Liebe und des Todes. Es ist der Tunnel der Liebe – und Verzweiflung.«
Fünf Augenpaare starrten ihn schweigend an. Schließlich sagte Dee: »Na und?«
»Ich dachte, das würde euch vielleicht interessieren.« Er warf etwas in die Luft und fing es wieder auf. Jenny konnte wegen der bunten Lichter nicht erkennen, welche Farbe das Ding hatte, aber es glänzte.
»Was, das? Oh ja, das ist eine Dublone«, sagte Julian und schaute in seine Hand, als habe er die Münze gerade erst bemerkt.
Alle im Boot tauschten Blicke. Das Boot schaukelte sanft.
»Wollt ihr denn nicht wissen, was ihr tun müsst, um sie zu bekommen?«
Jenny wollte es nicht wissen, aber sie war davon überzeugt, dass er es ihnen trotzdem sagen würde.
»Ihr müsst nur zuhören, das ist alles. Wir werden ein kleines Gespräch führen. Ein wenig plaudern.«
Es war an Jenny zu antworten, das wusste sie. »Worüber?« , fragte sie angespannt und lehnte sich an Dee vorbei, um ihn anzusehen.
»Über dies und das. Über das Wetter. Über atomare Abrüstung. Über euch.«
»Uns?«, quiekte Michael erschrocken, obwohl er gar nichts hatte sagen wollen.
»Natürlich. Seht euch doch an – euch alle. Was für ein jämmerlicher Haufen. Und ihr versucht, die Schattenwelt zu erstürmen?«
»Richtig«, murmelte Dee und machte Anstalten aufzustehen.
»Ihr lernt es wohl nie, was?«, fragte Julian und machte einen Schritt auf sie zu.
Das war alles, was er tat, aber Dee setzte sich trotzdem sofort wieder hin, zumal Jenny sie am Arm gepackt und zurückgezogen hatte. Julian machte Jenny Angst – nicht mit seiner offenen Machtdemonstration, sondern einfach mit sich selbst. Mit dem, was er war. Julian fing Stimmungen auf und streifte sie über wie Kleider. In diesem Moment machte Jenny alles Angst – der Glanz in seinen Augen, sein schneller Atem, die Art, wie er die Lippen leicht zurückzog und seine Zähne entblößte. Er war in der Stimmung, etwas zu zerstören, die endgültige Katastrophe über sie hereinbrechen zu lassen. Er war in der Stimmung, nicht nur zu jagen, sondern zu töten.
»Bitte, bleibt alle ganz ruhig«, sagte sie.
Julian sah immer noch Dee an, mit diesem unheimlichen Glanz in den Augen. »Vielleicht bist du einfach zu dumm, um zu lernen«, stellte er fest. »Das ist der wahre Grund, warum du nicht aufs College gehen willst, nicht wahr? Du weißt, dass du niemals so klug sein wirst wie deine Mutter.«
»Geh nicht darauf ein«, mahnte Jenny. »Dee, dreh dich um – hör einfach nicht zu.«
Aber Dee drehte sich nicht um. Jenny konnte nur ihre Silhouette sehen und das blaue Licht, das auf den samtigen Haarknospen glitzerte, aber sie konnte die Anspannung in Dees Körper fühlen.
»Dieses ganze Sportding ist nur eine Fassade, weil du weißt, dass du sie enttäuscht hast«, fuhr Julian fort. »Genau da, wo es am meisten zählt, hast du versagt.«
»Dee, du weißt, dass das nicht wahr ist …«
»Sie weiß, dass sie gar nichts weiß. In letzter Zeit hat sie sich in ziemlich vielen Dingen geirrt – wie zum Beispiel bei Audrey und dem Löwen. Wie bei Audreys Mutter. Man stelle sich nur vor, dass Mrs Myers längst etwas getan hat, das Dee schon immer tun wollte.«
»Lass sie in Ruhe!«, rief Jenny.
»Und ohne ihr Selbstbewusstsein ist sie nichts. Ist euch das noch gar nicht aufgefallen?«
»Halt den
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