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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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aussehen!«
    Tyrell drehte sich wieder zur Reling um und zog sein Bein hoch, als der Schmerz es durchzuckte. Soeben hatte er wieder einen anderen Bolitho kennengelernt. Nackt bis zur Taille, das schwarze Haar über der Stirn festgeklebt, hatte er genauso jung, wenn nicht jünger als Heyward ausgesehen. In so einem Moment war Tyrell gerührt über seine Sorge für die Leute, genauso wie es ihn beeindruckt hatte, daß er sich von den herannahenden Sandbänken nicht ins Bockshorn jagen ließ.
    Heyward kam vom Geschützdeck, um seine Pflicht wieder zu versehen.
    Tyrell sagte: »Entlassen Sie die Wache unter Deck. Dann sollen die Unteroffiziere nach achtern kommen.«
    Heyward fragte zögernd: »Wird das für mich schlecht ausgehen?«
    Tyrell klopfte ihm auf die Schulter. »Bei Gott, nein!« Er lachte über sein Erstaunen. »Sie haben dem Kapitän einen Gefallen getan! Wenn Sie ihn eher gerufen hätten, wäre er gezwungen gewesen, den Kurs zu ändern. Ihr Fehler hat es ihm gestattet, eine andere Richtung einzuschlagen.« Er ging pfeifend weg, seine bloßen Füße verursachten auf den gischtdurchnäßten Planken ein klatschendes Geräusch.
    Heyward ging über das krängende Deck zu Buckle ans Steuer. »Ich glaube, das verstehe ich nicht.«
    Buckle sah ihn zweifelnd an. »Dann versuchen Sie es nicht erst, das ist mein Rat.« Er schlurfte zum Niedergang und fügte hinzu: »Und das nächstemal, wenn Sie mit meinem Schiff lieber Gott spielen möchten, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie es zuerst bekanntmachen würden!« Heyward blickte auf den Kompaß und ging zur Luvseite hinüber. Leutnant der Wache zu sein, hieß mehr, als nur einen Auftrag zu haben. Er betrachtete die gespannten Großsegel und grinste. Das wäre beinahe ins Auge gegangen, und einmal war er vom plötzlichen Wechsel der Ereignisse so überwältigt worden, daß er dachte, das Schiff würde durchgehen und ihn und alle an Bord mit unwiderstehlicher Gewalt entführen. In den letzten Augenblicken hatte er etwas gelernt. Sollte dies alles wieder passieren, so wußte er, was er zu tun hatte. Dessen war er ganz sicher.
    Stockdale wartete in der Kajüte mit Bolithos Hemd und fragte ihn, nachdem er ihm ein Handtuch gereicht hatte: »Sind Sie damals wirklich auf Wache eingeschlafen, Sir?«
    Bolitho rieb sich Arme und Brust ab und fühlte, wi e das Salz auf seinen Lippen wie eine zweite Haut trocknete.
    »Beinahe.« Blieb denn vor Stockdale gar nichts verborgen?
    »Aber wir müssen die Dinge manchmal etwas ausschmücken.«
    Er stieg aus seiner tropfnassen Hose und warf sie quer durch die Kajüte. Als er seinen nackten Körper weiter abrieb, lauschte er Heywards gemessenen Schritten an Deck.
    Dann sagte er ruhig: »Ich habe einmal von einem Leutnant gehört, der einen Mann auspeitschen ließ, weil er vom Ausguck etwas Falsches berichtet hatte. Danach war der Seemann so eingeschüchtert, daß er bei echter Gefahr den Mund hielt, aus Furcht, wieder geschlagen zu werden. Als Folge davon lief das Schiff auf Grund, und der Leutnant ertrank.«
    Stockdale beobachtete ihn aufmerksam. »Geschieht ihm recht.« Er schüttelte eine frische Hose aus und reichte sie hinüber. Ungefähr eine Minute lang sagte er nichts, aber seine Stirne blieb gerunzelt. Dann fragte er: »Und was geschah mit dem Seemann, Sir?«
    Bolitho blickte ihn an. »Ich fürchte, er wurde wegen Vernachlässigung seiner Pflicht ausgepeitscht.«
    Stockdales zernarbtes Gesicht strahlte in einem breiten Grinsen. »Ich habe wieder mal recht, Sir – nicht wahr? Es gibt keine Gerechtigkeit auf dieser Welt!«
    Bolitho setzte sich und zog seine Hose vollends an. Wie schon so oft, hatte Stockdale das letzte Wort gehabt.

Verhängnisvolles Schicksal
    Leutnant Tyrell hielt sich krampfhaft an der Achterdeckreling fest und starrte angestrengt über das Steuerbordschanzkleid.
    »Verdammter Nebel!« Er lehnte sich über die Reling und versuchte verzweifelt, weiter als bis zum Vorschiff zu sehen.
    »Und unser gottverfluchtes Glück!«
    Bolitho sagte nichts, sondern ging zur entgegengesetzten Seite des Decks hinüber. Schon vor Beginn der Dämmerung, als die Wassertiefe ständig gelotet wurde und aller Augen und Ohren gespannt die ausgesungenen Werte hörten, auf die Geräusche der entfernten Brandung horchten und gelegentliche Gischtspritzer in der Dunkelheit bemerkten, war er sich des immer dichter werdenden Nebels bewußt geworden. Das war hier zu dieser Jahreszeit nicht ungewöhnlich, doch hatte er erwartet, daß es beim

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