Die Entscheidung
zu fließen schien. Es war sehr schönes Haar, goldbraun wie der Flügel einer jungen Drossel.
Er lächelte unsicher, als sie zu ihm aufblickte.
»Wirklich, Kapitän! Sie bringen ein Mädchen in Verlegenheit, so wie sie schauen!« Sie lachte. »Ich nehme an, ihr Seeleute seid so lange von der Zivilisation weg, daß ihr euch nicht beherrschen könnt.« Sie nahm seinen Arm.
»Quälen Sie sich nicht. Man muß das nicht so ernst nehmen.
Ich muß Sie wirklich lehren zu akzeptieren, was vorhanden ist, und sich an dem zu freuen, was Ihnen zusteht.«
»Verzeihung. Sie haben wahrscheinlich recht, was mich betrifft.« Er blickte auf den Marmorfußboden und grinste.
»Auf See stehe ich sicher. Hier habe ich das Gefühl, als ob das Deck sich bewegt.«
Sie trat zurück und sah ihn forschend an. »Nun, ich werde sehen, was sich da tun läßt.« Sie fächelte ihr Gesicht mit einem schmalen Fächer. »Jedermann spricht über Sie, wie Sie diesem schrecklichen Kriegsgericht in die Augen sahen und Narren aus ihnen gemacht haben.«
»Ganz so war es nicht.«
Sie ignorierte ihn. »Natürlich wird davon nichts erwähnt. Einige haben wahrscheinlich Angst, daß Sie sich in einen blutdürstigen Seewolf verwandeln!« Sie lachte fröhlich.
»Andere sehen in Ihrem Erfolg etwas von ihrem eigenen Mißerfolg.«
Ein Dienstmann flüsterte mit dem General, und sie fügte schnell hinzu: »Ich muß Sie nun zum Abendessen sich selbst überlassen. Ich bin heute Gastgeberin.«
Er sagte: »Oh, ich dachte...« Um seine Verwirrung zu verbergen, fragte er: »Ist Lady Blundell nicht auch hier?«
»Sie blieb in England. Die Gewohnheiten meines Onkels sind die eines Soldaten. Ich glaube, sie ist zufrieden, wenn sie nichts damit zu tun hat.« Wieder ergriff sie seinen Arm.
»Schauen Sie nicht so traurig. Ich werde Sie später wiedersehen. Wir müssen über Ihre Zukunft sprechen. Ich kenne Leute, die Ihnen helfen können, Sie dahin bringen, wo Sie zu stehen verdienen, anstatt...« Sie sprach nicht zu Ende.
Ein Gong ertönte, und ein Diener kündigte an: »Meine Lords, verehrte Damen und Herren, es ist angerichtet.«
Sie folgten dem General und seiner Nichte in einen noch größeren Raum; Bolitho bekam als Tischdame eine dunkelhaarige kleine Frau, offensichtlich die Frau eines abwesenden Stabsoffiziers. Mit etwas wie Bedauern dachte Bolitho, daß er sie wohl für den Rest des Abends auf dem Hals haben würde.
Das Dinner paßte zu dem Raum. Jeder Gang war umfangreicher, noch ausgefallener zubereitet als der vorhergehende. Sein Magen hatte sich schon lange an die schmale Schiffskost gewöhnt und die verschiedenen Anstrengungen vieler Schiffsköche. Sonst schien jedoch niemand Schwierigkeiten zu haben, und er konnte sich nur wundern, wie sich die Teller leerten, ohne daß eine Unterbrechung in der Unterhaltung eintrat. Viele Toasts wurden ausgebracht, mit Weinen, die so verschieden waren wie die Anlässe, sie zu trinken. Nach dem Toast auf König George kamen alle üblichen: Tod den Franzosen. Verwirrung unseren Feinden. Verflucht sei Washington. Je länger der Wein floß, desto bedeutungsloser und unzusammenhängender wurden sie.
Die Tischdame Bolithos ließ ihren Fächer fallen, und als er sich bückte, um ihn zu holen, faßte sie unter das Tischtuch, ergriff sein Handgelenk und hielt es einige Sekunden gegen ihren Schenkel gepreßt. Es kam ihm wie eine Stunde vor, und er dachte, daß jeder am Tisch ihn beobachte. Aber sie war die einzige, und in ihrem Gesicht stand solche Begierde, daß er fast fühlen konnte, wie sie die Beherrschung verlor.
Er gab den Fächer zurück und sagte: »Langsam, Madame, es gibt noch einige Gänge.«
Sie starrte ihn mit offenem Mund an, dann lächelte sie verschwörerisch. »Was für ein Geschenk, einen richtigen Mann zu finden!«
Bolitho zwang sich, noch einmal eine Portion Huhn zu nehmen, wenn auch nur, um sein Gleichgewicht wiederzufinden. Er konnte spüren, wie sie das Knie an sein Bein preßte, und es war ihm bewußt, daß sie, wenn sie etwas vom Tisch benötigte, dies über seinen Arm hinweg holen mußte. Jedesmal verhielt sie in der Bewegung, so daß ihre Schulter oder ihre Brust ihn für einige Momente berührte.
Er blickte verzweifelt an der Tafel entlang und sah, daß Susannah ihn beobachtete. Es war schwierig, ihren Ausdruck zu deuten, wenn sie so weit entfernt war. Halb amüsiert, halb wachsam. Seine Tischdame sagte beiläufig: »Mein Mann ist viel älter als ich. Er kümmert sich mehr um sein verdammtes
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