Die Entscheidung der Hebamme
jetzt mehr als genug zu tun.
Doch Marthe kam nicht dagegen an. Und sie konnte ihn auf einmal nicht mehr so unbeschwert lieben wie sonst: leidenschaftlich, selbstvergessen, ganz auf seine und ihre Liebe vertrauend. Jetzt war jede seiner Berührungen für sie so, als sei es ein letztes Mal.
Diesmal schloss sie nicht die Augen, sondern wollte ihn sehen – während er verliebt ihren Körper betrachtete, als er sie zärtlich berührte, als ihn die Leidenschaft übermannte und als er sich völlig in ihr verlor.
Sie waren einander viel zu vertraut, als dass sie ihre Gedanken vor ihm hätte verheimlichen können.
Als sie, erschöpft vom Liebesspiel, nebeneinander auf die Laken sanken, legte er seine Hand an ihre Wange. Er fragte erst gar nicht, was ihr durch den Kopf ging, er wusste es.
»Du musst nicht trauern – und schon gar nicht, solange ich noch hier bin. Noch lebe ich, und ich habe vor, dafür zu sorgen, dass sich vorerst daran nichts ändert.«
Dann nahm er ihren Kopf in beide Hände und küsste sie. »Ich komme wieder, ich versprech’s.«
Sie konnte nichts darauf erwidern, sondern nickte nur stumm. Stattdessen zog sie ihn an sich und umklammerte ihn, als wolle sie ihn nie wieder loslassen. So konnte er die Tränen nicht sehen, die ihr übers Gesicht rannen.
Quälende Sorgen
Der Juli ging ins Land. Marthe, Christian und ihre Freunde warteten immer ungeduldiger auf Nachricht, was sich seit ihrer Abreise vom Hoftag ereignet hatte. Auf dem Meißner Burgberg durften sie sich nach den Befehlen des Markgrafen nicht blicken lassen. Deshalb ritt Lukas an einem schwülen Sommertag zu Raimund, einem Ritter in Ottos Diensten und ein Freund Christians seit ihrer gemeinsamen Knappenzeit. Er hatte Hedwig und Otto nicht nur zum Hoftag nach Magdeburg begleitet, sondern auch zum darauf folgenden in Erfurt und musste nach Christians Schätzung nun wieder auf seine Ländereien zurückgekehrt sein.
Um sich vom bangen Warten abzulenken, beschloss Marthe, ihre Freundin Emma zu besuchen, die Frau des Dorfschmieds. Sie und ihr Mann Jonas stammten aus demselben Dorf wie Marthe, und obwohl sich Marthes Lebensumstände seit ihrer Flucht aus Franken auf nahezu unglaubliche Weise geändert hatten, war sie nicht bereit, deshalb alte Freundschaften aufzugeben.
Als Frau des Burgvogtes hätte sie jeden Dorfbewohner zu sich auf die Burg befehlen können, ja, es wurde sogar von ihr erwartet, statt in die Bauernkaten zu gehen. Und seit Jonas nicht mehr Dorfältester war – anlässlich Randolfs Ernennung zum Burgvogt hatte die Mehrheit der Dorfbewohner entschieden, anstelle des mutigen Schmieds, der wegen seiner Loyalität gegenüber Christian bald Randolfs Rachsucht auf sich zog, einen servilen Gewandschneider zu ihrem Fürsprecher zu wählen –, konnte Christian auch ihn und seine Frau nicht mehr ohne weiteres zu besonderen Anlässen einladen. Denn das hätte erfordert, auch den jetzigen Dorfältesten und den eifernden Pater Sebastian an seinen Tisch zu bitten, und auf deren Gesellschaft verzichtete er lieber, wenn es sich einrichten ließ.
Die rotblonde Emma saß in ihrem Haus über Flickarbeiten, als Marthe eintrat. Freudestrahlend legte sie ihr Nähzeug beiseite und wollte die Freundin umarmen. Doch die meisten der Kinder, die in der Kate spielten, während ihr ältester Sohn Johann seinem Vater in der Schmiede zur Hand ging, waren schneller und hingen schon an Marthes Rockzipfeln. Lachend teilte sie ihre Honigkügelchen an die wilde Schar der Rotschöpfe aus.
»Man sollte meinen, wenigstens eines deiner Kinder hätte das schwarze Haar seines Vaters geerbt – aber sie kommen alle nach dir!«, spottete sie, zu Emma gewandt.
»Stimmt es, dass der Kaiser genau solche Haare hat wie ich?«, wollte Guntram wissen, Emmas Zweitältester, der nach einem von Randolf zu Unrecht gehängten Bergzimmerer benannt worden war.
»Das stimmt. Nur hat der noch einen Bart dazu«, versicherte Marthe.
»Krieg ich auch bald, sagt Vater«, meinte der Siebenjährige voller Überzeugung und strich sich übers Kinn, als wolle er prüfen, ob dort schon die ersten Stoppeln zu spüren wären.
Marthe und Emma gaben sich alle Mühe, nicht loszuprusten.
Dann holte Marthe noch ein paar Leckereien aus ihrem Korb und übergab sie der Hausfrau, griff sich ein paar zerrissene Beinlinge aus dem Knäuel von Flickarbeiten, die sie mitgebracht hatte, und kramte die Nadel aus dem Beutel an ihrem Gürtel.
Keine der Frauen konnte es sich leisten, einfach so die
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