Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
war. Seitdem erstickte sie manchmal fast an der Verantwortung, die sie zu tragen hatte in ihrem neuen Leben, in das sie so unverhofft hineingestolpert war. Der Gedanke, dass das Wohlergehen so vieler Menschen auch davon abhing, ob sie die Vorräte richtig berechnete und einteilte, raubte ihr manchmal den Schlaf.
    »Ich werde ein paar Kinder ausschicken, damit sie Schafgarbe sammeln und was sonst noch für Wunden benötigt wird«, erklärte Mechthild kurzerhand, während sie begann, das Fass mit dem verdorbenen Fleisch hinauszurollen, damit es ausgescheuert und das ungenießbar Gewordene vergraben werden konnte.
    Marthe sah sie dankbar an und nickte zustimmend.
    Sie verließ sich besser nicht darauf, dass der Markgraf während eines Feldzuges gegen den Löwen seine Christiansdorfer Burg nicht entblößen würde. Natürlich konnte er sie nicht unbemannt lassen, aber auf Christian würde er nicht verzichten und stattdessen einem seiner Vertrauten das Kommando über die Burg übertragen – vielleicht jemandem, der kampferfahren, aber zu alt für den Krieg war.
     
    Das grelle Sonnenlicht blendete, als sie aus dem schattigen Vorraum hinaus auf den Burghof trat. Blinzelnd sah Marthe über den Hof. Vor dem Torhaus entdeckte sie einen dreizehnjährigen Stallburschen mit keckem Gesichtsausdruck, der eine Schar Gleichaltriger um sich versammelt hatte, mit denen er unverkennbar etwas ausheckte.
    Nun, statt dumme Streiche zu planen, sollten die Jungen lieber etwas Sinnvolles tun, beschloss sie und rief den Anführer der Bande zu sich. Mit erwartungsvoller Miene baute er sich vor ihr auf.
    Peter, ein ehemaliger Dieb, war Christian und Marthe treu ergeben, weil sie ihn, seine jüngere Schwester Anna und ihre Freunde aus den Klauen eines brutalen Mannes befreit hatten, der sich eine ganze Bande Waisenkinder hielt, damit sie für ihn Beute machten. Die Gewitztheit und Erfahrung des einstigen Beutelschneiders, der mittlerweile eine eigene Bande junger Dorfburschen anführte, auch wenn die nicht mehr stahlen, sondern zumeist auf der Burg oder an den Scheidebänken arbeiteten, hatten den Christiansdorfern in manch schwieriger Lage geholfen.
    »Solltest du nicht beim Ausmisten helfen?«, fragte sie den Burschen, so streng sie konnte.
    »Bin heute nicht dran damit«, versicherte er eifrig, während seine Ohren rot aufleuchteten. »Habt Ihr eine Aufgabe für mich, Herrin?«
    Marthe wusste, dass Peter nicht nur einlenkte, weil er von ihr dabei ertappt worden war, wie er seine Arbeit im Stall versäumte. Der Junge war ein inniger Bewunderer Christians und darum auch bestrebt, vor dessen Frau seine Nützlichkeit zu beweisen.
    »Nimm deine gesamte Gefolgschaft« – sie wies mit dem Kinn auf die Jungen, die diese Bezeichnung stolz vernahmen – »und geht in den Wald, Bienenstöcke suchen. Wir brauchen mehr Honig.«
    »Sofort, Herrin«, versprach Peter begeistert. »Ich sag nur schnell dem Stallmeister Bescheid.«
    Er beriet sich kurz mit den anderen, und schon stoben die Burschen davon, um Gerätschaften zu sammeln, mit denen sie jede Menge Lärm veranstalten konnten. So sollten die ausschwärmenden Bienen dazu gebracht werden, sich niederzulassen, damit die Jungs sie mit einem Korb oder Bienenkasten einfangen konnten.
     
    Marthe beschloss, sich als Nächstes um die Arzneivorräte zu kümmern. Doch bevor sie ins Haupthaus gehen konnte, zog ein Reiter ihre Aufmerksamkeit auf sich, der sich in scharfem Tempo der Burg näherte.
    Dem kostbaren Pferd zufolge musste es ein Ritter sein. Bringt er etwa schon den Befehl, Truppen aufzustellen?, überlegte Marthe erschrocken.
    Bange wartete sie, bis der Reiter den Burghof erreichte, dessen rötliches Haar schon von weitem leuchtete. Jetzt erkannte sie ihn – ein junger Ritter aus Ottos Gefolge.
    »Wo ist die Frau des Burgvogtes?«, rief er, während er aus dem Sattel sprang und die Zügel einem Stallburschen zuwarf.
    Mit jenem dumpfen Gefühl, das einen in Erwartung schlechter Nachrichten überkommt, ging Marthe auf ihn zu.
    Er schien überaus erleichtert, sie gleich vorzufinden, doch in seinen Augen stand quälende Sorge.
    »Die Markgräfin braucht Eure Hilfe«, krächzte er mit ausgedörrter Kehle.
    Marthe erschrak. Was war geschehen?
    Schon brachte eine der Wachen einen Becher Bier. Die Männer hatten den Boten als jemanden von Rang erkannt und wussten außerdem besser als jeder andere, wie durstig man nach einem langen, scharfen Ritt war – noch dazu in dieser Hitze. Der nächtliche

Weitere Kostenlose Bücher