Die Entscheidung der Hebamme
sprach das Tischgebet.
»Köstlich! Dabei hatte ich gehofft, etwas Biber in der Suppe zu finden«, lobte Raimund, während er kräftig zulangte.
Marthe, die inzwischen etwas Zeit gefunden hatte, sich zu sammeln, lächelte vage in sich hinein. Weshalb Biberfleisch das Fasten nicht brach, hatte sie nie so recht verstanden.
Sie schob Dietrich noch eine dicke Scheibe hellen Brotes hinüber. Der Junge hatte stets Appetit für drei, auch wenn er bemüht war, sich das nicht anmerken zu lassen. Maßhalten galt als ritterliche Tugend.
Doch sie selbst vermochte kaum etwas hinunterzuschlucken.
Christian merkte, dass sie fast nichts aß, und musterte sie mit kritischem Blick. Gehorsam aß sie noch einen Löffel Suppe. Niemand sollte sehen, mit welchen Ängsten sie rang … Ängsten davor, dass Christian und seine Freunde in den Krieg mussten, und davor, dass Ekkehart seine Drohung wahr machte.
Als sie fertig gegessen hatten, lehnte sich jeder zurück und blickte zu Raimund. Der schob die Schüssel beiseite und ließ sich den Becher neu füllen. »Reden wir über den Hoftag. Und darüber, was seitdem geschehen ist.«
Seinem Bericht zufolge war Herzog Heinrich trotz Ladung zum dritten Mal nicht vor dem Kaiser erschienen, was Markgraf Dietrich den Zweikampf auf Leben und Tod ersparte und es dem Kaiser und den Fürsten ermöglichte, den Löwen nach Lehnsrecht und Landesrecht zu bannen.
»Es ging streng nach den Regeln zu«, erzählte Raimund, nachdem er einen tiefen Schluck genommen hatte. »Der Kaiser befragte die Fürsten, was rechtens sei, wenn sich jemand weigere, sich dem Gericht zu stellen, der dreimal vorgeladen und dennoch nicht erschienen sei. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zu sagen, ein solcher Mann sei der Acht verfallen und müsse Eigentum und Lehen verlieren.«
»Sie werden dabei sicher vor Mitgefühl übergequollen sein«, spottete Lukas. »Als ob sie diesen Augenblick nicht schon seit Jahren herbeigesehnt hätten!«
Christian ignorierte den Einwurf. »Hat der Kaiser nun die Acht über den Löwen verhängt?«, wollte er wissen.
»Von wegen! Die versammelten Fürsten baten Friedrich, mit der Achtverkündung noch einen vierten Gerichtstag abzuwarten, und unser Kaiser – großmütig, wie er ist – entsprach huldvoll ihrer Bitte.« Raimund verzog das Gesicht zu einem zynischen Grinsen.
»Weshalb?«, fragte Marthe verwundert. »Wagt es der Kaiser am Ende doch nicht, seinen Vetter fallenzulassen?«
»Oh nein, er ist entschlossen, die Sache zu Ende zu bringen. Er hat eingesehen, dass der Löwe zu mächtig geworden ist.« Raimund sah neugierig auf Dietrich. »Lass hören, ob du an Friedrichs Hof genug von hoher Politik gelernt hast, um das Rätsel für die Hausherrin zu lösen!«
Dietrich sah kurz zu Christian, und dieser nickte ihm auffordernd zu.
»Der Kaiser will sich keinen Fehler erlauben. Alles soll genau nach dem Gesetz ablaufen. Es könnte sich aber jemand darauf berufen, dass der Löwe aufgrund seiner schwäbischen Herkunft nicht ohne schwäbischen Richter verurteilt werden kann, am besten sogar auf schwäbischem Boden«, schlug Ottos Sohn als Erklärung vor. »Vermutlich hat der Kaiser seine Fürsten vor der Versammlung aufgefordert, diese Bitte zu äußern, damit er sich als gnädiger und gerechter Herrscher zeigen und einen vierten Gerichtstag einberufen kann.«
Raimund pfiff anerkennend durch die Zähne. »Gut gefolgert!« Er blickte zu Christian hinüber. »Wie es scheint, hat dein neuer Knappe bei Hofe nicht nur zu raufen gelernt.«
Während Dietrich peinlich berührt nach unten sah, griff Raimund nach einem übriggebliebenen Kanten Brot und brach sich die Hälfte ab, um die Schüssel damit auszuwischen. »Alles nur Formsache. Der Krieg hat längst begonnen, schon vor dem Hoftag. Anfang August ist ein Ritterheer Heinrichs in Westfalen eingedrungen, hat dort gewütet und gebrandschatzt.«
»Wer führt es an?«, fragte Christian stirnrunzelnd.
»Ein paar gefürchtete Haudegen: Gunzelin von Schwerin, Bernhard von Ratzeburg, Bernhard von Wölpe, Ludolf und Wilbrand von Halermunt. Außerdem noch der junge Adolf von Holstein, der wird sich wohl erst einen Namen machen wollen. Ihre Gegner erlitten bei Osnabrück eine furchtbare Niederlage. Graf Simon von Tecklenburg und etliche seiner Ritter wurden gefangen genommen, von den Leuten im Tross die meisten gleich erschlagen.«
Lukas ließ seiner Entrüstung freien Lauf. »Davon hat der Kaiser gewusst und trotzdem die Ächtung
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