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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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vertagt?«
    »Das ist noch nicht einmal alles«, fuhr Raimund ungerührt fort. »Gleichzeitig ist Heinrichs Getreuer Bernhard von Lippe gegen Soest gezogen, hat die ganze Umgebung verheert und dann das kölnische Medebach in Brand gesteckt.«
    Marthe wurde bei Raimunds Worten immer kälter. Im Geiste sah sie niedergebrannte Dörfer und Felder, erschlagene Frauen und Kinder. Krieg war nicht nur eine Angelegenheit, bei der sich gegnerische Heere gegenüberstanden und sich ehrenhaft nach allen Regeln des Rittertums schlugen. Er traf immer die Ärmsten und Schutzlosen zuerst und am härtesten.
    »Was unternimmt der Kaiser?«, fragte Christian den Freund, der nun den letzten Bissen Brot mit einem kräftigen Schluck aus seinem Becher hinunterspülte.
    »Er hat erlaubt, dass die von Heinrich bedrohten Fürsten – darunter auch Erzbischof Wichmann, was uns nun direkt betrifft – bewaffnet in Heinrichs Land einmarschieren. Von Halberstadt und Hornburg aus haben die Kämpfe um sein Gebiet schon begonnen.«
    »Also wird Otto Wichmann mit Truppen unterstützen«, schlussfolgerte Christian düster. Der Erzbischof von Magdeburg, einer der mächtigsten und einflussreichsten Männer des Kaiserreiches, war ein Vetter des Meißner Markgrafen und seiner Brüder. Sie hatten bereits seit Jahren gemeinsam gegen den Löwen gekämpft, sogar, als sich dieser noch der Gunst des Kaisers erfreute.
    »Es heißt, Heinrich will ein Heer gegen Halberstadt entsenden. Die Stadt ist Wichmann unterstellt und ihr Bischof Ulrich dem Löwen zutiefst verhasst«, berichtete Raimund weiter. »Die Fürsten sind aufgerufen, Wichmann zu unterstützen. Otto ist dabei, ebenso seine Brüder Dedo und Dietrich. Ludwig von Thüringen will vierhundert Ritter schicken. Und den Gerüchten zufolge sammelt der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg ein Heer von viertausend Geharnischten.«
    »Viertausend?!« Christian konnte seine Verblüffung nicht verbergen.
    »So heißt es. Und es soll ein wildes Söldnerheer sein; man munkelt sogar, es seien die Brabanzonen.«
    Für einen Moment herrschte entsetztes Schweigen in der Runde. Jeder versuchte, sich das Unglaubliche vorzustellen: dass ausgerechnet ein Mann Gottes, ein Erzbischof, die gefürchtetste Söldnertruppe Europas in seine Dienste nahm, skrupellose Gestalten, die bar jeder Menschlichkeit plündernd, mordend und brandschatzend durch die Lande zogen. Kaiser Friedrich und der französische König Ludwig waren schon vor Jahren übereingekommen, sie wegen ihrer Greueltaten nicht mehr gegeneinander einzusetzen. Dann kämpften sie an der Seite des englischen Königs Heinrich von Plantagenet gegen dessen aufständische Söhne. Nachdem ihr Anführer Wilhelm von Cambrai gefallen war, ließen sie sich in verschiedenen Gruppierungen von Männern in Sold nehmen, die bereit waren, in Kauf zu nehmen, dass die Rotten mit unbeschreiblicher Grausamkeit ganze Landstriche verheerten.
    »Tja, junger Mann«, meinte Raimund sarkastisch zu Dietrich, »wenn das stimmt, kannst du deine Vorstellungen von der edlen Kunst des Krieges getrost vergessen, falls dein Vater dich auf dem Feldzug dabeihaben will.«
     
    Als Christian vor der Nacht noch einmal in die Halle ging, bemerkte er, dass er erwartet wurde. Kuno und Bertram erhoben sich sofort, als sie ihn sahen, und traten auf ihn zu, eher verlegen als mit der ihnen sonst eigenen Forschheit.
    »Herr, dürfen wir mit, wenn Ihr in den Krieg zieht?«, bat der Rotschopf.
    Christian verschob mit einem stummen Seufzer die Frage, woher sie davon wussten; sicher waren die zwei schlau genug, um sich zwei mal zwei zusammenzureimen. Jetzt gab es Dringenderes, am Abend vor seiner Abreise nach Meißen, um Kriegsorder zu empfangen.
    »Deine Frau kann jeden Tag ihr erstes Kind zur Welt bringen«, hielt er dem jungen Mann vor, der in seiner Vorstellung immer noch der tolldreiste Bursche war, als den er ihn vor Jahren kennengelernt hatte. »Hast du die Ehe jetzt schon satt?«
    »Nein, Herr.« Verlegen senkte Kuno den Blick. »Ich schwör’s, ich liebe Johanna. Und es fällt mir wirklich schwer, sie gerade jetzt allein zu lassen. Aber ich weiß, sie ist versorgt. Und ich will nicht, dass die anderen sagen …«
    Er stockte.
    »Ja?«, drängte Christian ihn, zu sprechen, da er nicht die ganze Nacht in der kalten Halle verbringen wollte.
    »… dass Ihr mich nur hierlasst, um mich zu schonen. Weil Johanna Euer Mündel ist.«
    Kuno stieß den Atem aus, doch dann ließ er den Kopf wieder hängen, als

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