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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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verheirateten Frauen, und der Pachtzins ans Dorf für das Haus wurde an Krüppel und Arme verteilt.
    Tilda war eine Verbündete Marthes seit Christiansdorfs schwärzesten Tagen, während der Blutherrschaft Randolfs. Sie ahnte, worum es gehen würde, und wusste auch, dass sie nicht zu erkennen sein durfte, wenn sie Marthe besuchte, während der Sohn des Markgrafen und seine Männer auf der Burg herumlungerten. Also verbarg sie ihre roten Locken, die sie sonst offen trug, wie eine sittsame Witwe unter einem Tuch und zog sich ein unscheinbares Kleid über. Der inzwischen eingesetzte Regen tat ein Übriges. Niemand war in der Nähe des Hurenhauses, der sie beobachten konnte. Und wer noch Richtung Burg unterwegs war, der hastete mit gesenktem Kopf durch die Straßen, um auf dem Weg nach Hause nicht völlig durchnässt zu werden. Das war auch für Tilda gut, denn wenn man sie dabei ertappte, dass sie sich als ehrbare Ehefrau oder Witwe ausgab, würde sie nach dem Gesetz bestraft.
    Marthe spähte aus der Fensterluke, bis sie die Hurenwirtin kommen sah, dann ging sie hinunter in die kleine Kammer, in der sie ihre Kräuter und Salben aufbewahrte und Kranke behandelte. Das machte die Szene unverdächtig.
    »Schick von heute an jeden Abend ein paar deiner Mädchen auf die Burg«, flüsterte sie Tilda zu. »Damit Albrechts Leute die Hände von den Mägden lassen. Aber ich brauche noch eine, die die ganze Zeit hier ist und sich als Magd ausgibt.«
    In kurzen Worten schilderte sie Tilda Maries Erlebnis vom Morgen.
    Die Hurenwirtin lächelte. »Dafür ist Lisbeth am besten geeignet. Sie ist jung, hübsch und eine Naturbegabung, den Männern etwas vorzuspielen.«
    Unabhängig voneinander dachten beide Frauen für einen Augenblick das Gleiche: Dem jungen Ritter Lukas würde das ganz und gar nicht gefallen. Seit Kathrein, eine hübsche blonde Hure mit üppigen Locken, die er regelmäßig aufgesucht hatte, an einem Winterfieber gestorben war, hatte er sich bei seinen Besuchen stets für Lisbeth entschieden. Wenn er sein Kommen ankündigte, sorgte Tilda dafür, dass Lisbeth für ihn frei war. Doch jetzt stand Lukas Hunderte von Meilen entfernt im Krieg, und das Mädchen musste die Zeit nutzen, um zu verdienen, solange sie noch jung und schön war.
    Nur Marthe und Christian ahnten, warum Lukas sich bis heute weigerte, zu heiraten. Dass er enterbt worden war, weil er das von seinem Vater arrangierte Verlöbnis gelöst hatte, schien ihn nicht zu bekümmern. Er hatte auch seitdem keinerlei Anstrengungen unternommen, um eine Braut zu werben, obwohl ihm viele Mädchen auf dem Meißner Burgberg mit schmachtenden Blicken nachsahen, allen voran die blonde Adela, die gemeinsam mit den anderen Jungfrauen unter Hedwigs Aufsicht erzogen, aber von Lukas überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde.
    Marthe verabredete mit der Hurenwirtin, selbst heimlich für Lisbeths Dienste zu bezahlen. Albrecht würde es nicht tun, auch falls er erfuhr, dass sie eine Hure war – und es war besser, wenn er es nicht wusste. Das würde seiner Eitelkeit mehr schmeicheln. Ein neues Jagdopfer würde ihn von Marie und den jungen Mägden auf der Burg ablenken.
    Tilda huschte fort, nachdem Marthe ihr noch eine Arznei für eines ihrer Mädchen mitgegeben hatte.
    Dann trat Marthe hinaus in den prasselnden Regen. Aus den Ställen sah sie Hartmut kommen, den Anführer von Albrechts Wachen. Entschlossen ging sie auf ihn zu.
    »Euer Herr hat mich rufen lassen«, sprach sie ihn an. »Wisst Ihr, wo er sich aufhält?«
    »Er ist gerade mit dem Münzmeister dort hineingegangen«, antwortete der Mann und zeigte auf die Zainegießerei, wobei er den Arm immer noch vorsichtig bewegte. »Ich begleite Euch, wenn Ihr wollt.«
    »Was macht Eure Schulter?«, fragte sie auf dem Weg. Er verzog das Gesicht. »Wenn es nicht bald besser wird, kann ich meinen Dienst nicht mehr versehen«, sagte er mit finsterer Miene.
    »Ich werde mich darum kümmern, sobald Euer Herr mit mir fertig ist«, bot sie an, und erst beim Sprechen wurde ihr das Doppeldeutige ihrer Worte bewusst. Nein, so schnell würde Albrecht nicht mit ihr fertig sein.
    Aber das hatte sie gewusst, als sie sich dafür entschieden hatte, im Dorf zu bleiben, statt bei Raimunds Frau unterzukriechen. Deshalb bot sie Hartmut nicht nur aus Mitleid ihre Hilfe an. Es konnte sich für sie und die Dörfler einmal von Vorteil erweisen, wenn er in ihrer Schuld stand.
    »Lasst nach mir rufen, wenn Ihr Zeit für mich habt«, dankte ihr der

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