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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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er Abbild und Insignien Eures Vaters in den Prägestempel arbeitet.«
    Doch das schien Albrecht nicht mehr zu interessieren.
    »Führt mich zur Silberkammer!«, befahl er.
    »Wie Ihr wünscht, Graf.«
    Meister Wibald ging voraus. Die Silberkammer war im ersten Stockwerk des runden Bergfrieds untergebracht, dem wichtigsten und zuerst fertiggestellten Teil der Burg.
    Angesichts des hohen Besuches traten die Wachen ehrerbietig grüßend beiseite.
    Im Erdgeschoss war die Wachstube eingerichtet, in der weitere Männer saßen. Die Hälfte von ihnen gehörte zu Albrecht, wie Marthe sofort erkannte. Es war Ottos ausdrücklicher Befehl gewesen, dass Christian einen Teil der Burgbesatzung mit auf den Feldzug nahm, der dann durch Albrechts Männer ersetzt wurde. Sie unterbrachen sofort ihr Würfelspiel, als sie ihren Herrn sahen, doch der schenkte ihnen keinen Blick, sondern folgte Meister Wibald schwungvoll die schmale, zusammenrollbare Leiter hinauf – der einzige Zugang zur Silberkammer. Der gesamte Bergfried war, vom Erdgeschoss abgesehen, nur über Leitern zu erklimmen, die im Fall eines Angriffs eingezogen werden konnten.
    »Soll ich Euch auch nach oben folgen?«, rief Marthe ihm nach und bekam ein herrisches »Ja« zur Antwort.
    Das war wieder einmal typisch. Wie, bitte schön, sollte sie mit dem langen Rock die Leiter hinaufklettern, ohne Sitte und Anstand zu verletzen?
    Hartmut, der mittlerweile zu den Männern gestoßen war, erkannte als Erster ihr Problem – oder war als Erster bereit, ihr zu helfen.
    »Dreht euch gefälligst um, damit die Herrin unbehelligt von unkeuschen Blicken nach oben gelangen kann!«, brummte er. Sein Befehl wurde sofort befolgt.
    Als Marthe endlich in der Silberkammer ankam, standen Albrecht und Meister Wibald schon vor zwei geöffneten Truhen. In einer, der kleineren Truhe, lagen Pfennige säuberlich übereinandergestapelt, in der größeren befanden sich die handlichen Silberbarren für den Fernhandel nach Italien und ins Morgenland, jeder mit einer kleinen Prägung, die auswies, woher das Silber kam.
    »Gebt mir davon!«, verlangte Albrecht und wies auf das Silber.
    Der Münzmeister wurde bleich. Unbehaglich fuhr er mit den Fingern in den Halsausschnitt seines Obergewandes und zerrte daran. »Ich bin Eurem Vater Rechenschaft über jeden Pfennig schuldig«, erklärte er dann mit fester Stimme.
    »Ja, und? Ich bin sein Erbe. Eines schönen Tages wird all das mir gehören.« Mit ausladender Geste wies Albrecht auf die Truhen voller Silber. »Seht es als Vorschuss auf meine Regentschaft.«
    »Dann müssen wir das beurkunden – im Beisein des Kaplans und des Gegenschreibers«, beharrte der Münzmeister.
    Doch das wollte Albrecht nun auch nicht. Sein Vater sah ihm zwar vieles nach, aber dass er sich so einfach aus seiner Schatzkammer bediente, sicher nicht.
    »Wir sprechen später darüber«, knurrte er und stieg die Leiter wieder hinab.
    Er wartete, bis Marthe ebenfalls wieder unten angelangt war, dann starrte er sie wütend an. »Nun zu Euch. Folgt mir!«
    Und schon stapfte er voran in seine Kammer.
    Der Regen war unterdessen so stark geworden, dass sich Marthe fröstelnd zurück in die Wärme der Zainegießerei sehnte. Ob es dort auch so schüttet, wo Christian und Lukas jetzt sein mochten? Diesen wehmütigen Gedanken konnte sie nicht unterdrücken.
    Als sie das Haupthaus erreicht hatten, waren alle völlig durchnässt.
    In der Kammer für die hohen Gäste ließ sich Albrecht auf eine Bank sinken, ohne Marthe einen Platz anzubieten. Mit dieser demonstrativen Unhöflichkeit stellte er auch ohne Worte klar, dass er zwar auf ihre Dienste angewiesen war, aber letztlich in ihr kaum etwas anderes als eine Magd sah.
    Während Regenwasser aus seinen dunklen Haaren tropfte, starrte er auf Marthe, und zwar nicht in ihre Augen oder in ihr Gesicht. Beklommen wurde ihr klar, dass er auf ihre Brüste sah, deren Form sich unter dem nass gewordenen Kleid abzeichnete.
    Es wird allerhöchste Zeit, dass Lisbeth kommt und sich dieses Burschen annimmt, der mit seinen zwanzig Jahren anscheinend nichts anderes im Kopf hat, dachte sie.
    Albrecht riss seinen Blick von ihr los und streckte lässig die Beine aus.
    »Dein Trank war gut, Weib«, erklärte er ihr betont schroff. »Du wirst mir von heute an jeden Abend einen bereiten, ohne jemandem etwas davon zu sagen. Und selbstverständlich bleiben die Sicherheitsvorkehrungen die gleichen.«
    »Graf Albrecht, ich kann meine Pflichten für das Wohlergehen der

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