Die Entscheidung der Hebamme
aufgebracht. »Ich wollte helfen, aber ich konnte überhaupt nichts tun. Weil ich nur eine Frau bin und nicht aus einer alteingesessenen Adelsfamilie stamme.«
Resigniert ließ sie die Schultern hängen. »Ich kann ihn nicht aufhalten.«
»Darüber reden wir gerade«, fiel Jonas ihr ins Wort. »Wir müssen etwas unternehmen. Wenn wir Stadtrecht hätten, so wie Christian es längst wollte …«
Der Schmied hielt inne und sah geringschätzig zu Josef hinüber, der wütend auf den weißhaarigen Schuhmacher einsprach, während der Alte schützend einen Arm vors Gesicht hielt, als befürchte er, geschlagen zu werden.
»Meister Jonas und ich sind uns einig, dass wir uns heute Abend bei mir mit ein paar Männern treffen und darüber beraten«, meinte der Bergmeister.
Marthe war Jonas’ Blick gefolgt und sah nun wieder zu Hermann. »Ihr werdet Josef kaum dafür gewinnen können, vor den Fürsten zu treten und irgendwelche Bitten vorzutragen, geschweige denn Vorschläge.«
Der Bergmeister nickte düster. »Deshalb wollen wir erst einmal ein paar Entschlossene um uns sammeln, ohne dass er davon erfährt. Wenn wir genug sind, können wir ihm das Messer auf die Brust setzen – oder er soll sein Amt abgeben.«
»Gott segne Euch und steh Euch bei«, meinte Marthe erleichtert. Es tat gut, zu wissen, dass auch ihre Verbündeten etwas unternehmen würden. Möglicherweise hatte eine Gruppe angesehener Männer mehr Aussicht auf Erfolg als sie.
Als der Tuchhändler, der Gewandschneider und ihre Anhänger den Burghof verlassen hatten, lief Marthe hinüber in ihre Kräuterkammer. Es überraschte sie nicht im Geringsten, dass dort nicht nur Clara und Bertha waren, sondern auch Peter, der grinsend auf einer Truhe hockte und mit den Beinen baumelte. Als er sie sah, sprang er rasch auf die Füße und grüßte sie mit einer tiefen Verbeugung.
»Ein Meisterstück«, lobte sie ihn, und seine Augen leuchteten über den gelungenen Streich. »Wir sollten das Ferkel wohl aus Dankbarkeit für seinen Heldenmut leben lassen. Aber ich werde Mechthild sagen, dass sie heute Abend jedem von euch eine große Portion Fleisch zukommen lässt.«
»Wenn das keine fürstliche Belohnung ist«, frohlockte Peter. Fleisch war etwas, das selten oder nie auf den Tisch der einfachen Leute kam.
»Nur sucht euch ein zurückgezogenes Plätzchen für euer Festmahl«, ermahnte Marthe. »Und nehmt auch Christian etwas davon mit. Habt ihr ein gutes Versteck für ihn?«
»Was denkt Ihr von uns?«, entrüstete sich Peter. »Macht Euch keine Sorgen, den findet niemand.«
Aus dem breiten Lächeln auf Claras Gesicht folgerte Marthe, dass auch ihre Tochter das Versteck kannte und für sicher hielt.
Bertha jedoch fing wieder an zu schluchzen. »Wie lange soll das gutgehen, wenn er als Gesetzloser in einer Höhle haust?«, wehklagte sie. »Irgendein Verräter findet sich immer!«
Das hatte Bertha schließlich selbst auf schreckliche Weise erleben müssen, als einer der ersten Siedler mit untergeschobenen Beweisen dafür gesorgt hatte, dass ihr Mann als Dieb gehängt wurde. Und inzwischen wohnten so viele Menschen im Dorf, dass sie unmöglich allen trauen konnten. Marthe überlegte, ob sie nicht für alle Fälle Vorkehrungen treffen sollte, wenn der Stallmeister zurückkam. Vielleicht lastete Albrecht noch ihm das angebliche Vergehen seines Schützlings an.
»Verlass dich nur auf uns«, versicherte Peter großspurig der Mutter seines Freundes, und Clara nickte zustimmend.
»Es ist nur vorübergehend«, versuchte Marthe, die Verzweifelte zu beruhigen.
»Aber es kann Monate dauern, bis Ritter Christian aus dem Krieg zurückkommt«, widersprach Bertha.
Doch je mehr Marthe in sich hineinhörte, umso größer wurde ihre Gewissheit. »Nein. Er ist schon auf dem Weg hierher.«
Marthe bat Walther, jemanden Ausschau halten zu lassen. Offiziell, um so früh wie möglich zu wissen, wann und wie die Jagdgesellschaft zurückkam. Unfälle bei der Jagd waren nichts Ungewöhnliches, wenn die Männer mit Spießen auf ein paar wütende Wildschweine losgingen oder durch die unwegsamen Wälder ritten.
Doch insgeheim wurde ihre Hoffnung immer größer, dass die Wachen Christians Rückkehr ankündigen würden.
Ob sie wohl gesund wiederkamen, er und Lukas, Dietrich und die beiden jungen Knappen, Kuno, Bertram und all die anderen, die mit ihnen gezogen waren?
Sie zog ein trockenes Kleid an, trank dankbar von dem heißen Würzwein, den ihr Mechthild brachte, und ging dann in
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