Die Entscheidung der Hebamme
Gefolgsleuten verabschiedete.
Doch dann versuchte er, die dunklen Gedanken abzustreifen. Eine andere Angelegenheit erforderte nun seine volle Konzentration und hielt ihn davon ab, sofort zu Ottos Streitmacht zurückzukehren.
Um sich Gewissheit zu verschaffen über ein vages Gefühl, das er nicht mehr loswurde, seit er nach Madgeburg aufgebrochen war, stellte er sein Pferd vorübergehend in einem Mietstall unter und bewegte sich zu Fuß durch die engen, dicht gefüllten Gassen des Viertels, in dem sich mehr Bettler und Spitzbuben als ehrliche Leute herumtrieben.
Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht. Bald wusste er mit Sicherheit, dass er verfolgt wurde. Linker Hand entdeckte er eine Garküche, vor der reger Andrang herrschte.
Für die zwei Männer, die ihm folgten, musste das als ideale Gelegenheit erscheinen, ihn in dem Gewimmel von hinten abzustechen, ohne aufzufallen und – vor allem – ohne sich auf einen Kampf mit ihm einlassen zu müssen. Der Umstand, dass er verwundet war, mochte wohl bei seinen Verfolgern die Bereitschaft gefördert haben, einen Angriff aus nächster Nähe zu wagen.
Doch die beiden hatten die Rechnung ohne ihn gemacht. Er ahnte mehr, dass ein Messer gezückt wurde, als es zu sehen, fuhr herum und stieß dem ersten Angreifer seinen Dolch in die Brust. Der Zweite zog ein einfaches Schwert, doch Christian war schneller. Noch bevor der andere in der Enge zum Hieb ausholen konnte, hatte er ihm schon seine Waffe durch den Hals gerammt und wieder herausgezogen. Röchelnd stürzte auch der zweite Angreifer zu Boden, während das Blut aus seiner Kehle spritzte.
Die Menschen um ihn herum starrten ihn erschrocken an, die meisten bekreuzigten sich furchtsam, doch niemand wagte es, etwas zu sagen. An seiner Kleidung und seinem Schwert war Christian unzweifelhaft als Ritter zu erkennen, damit erübrigten sich Fragen.
Er zog scharf Luft ein, weil sich seine Wunde durch die heftige Bewegung anfühlte, als würden erneut glühende Messer in sein Fleisch gebohrt. Dann befahl er in die Menge hinein: »Ruft den Schinderkarren, damit jemand die Leichen der Meuchelmörder wegschafft.«
Die Menschen sahen sich an, nickten sich zu, und Christian wusste: Sobald er hier weg war, würden sie den Toten zuerst die Schuhe und was sie sonst noch am Leib trugen abnehmen.
Die Waffen der beiden Angreifer hob er selbst auf. Zumindest einen von ihnen kannte er; er gehörte wie vermutet zu Ekkeharts Reitknechten. Christian hatte einmal im Vorbeigehen gesehen, wie er vor Haldensleben einem Mann mit dem Daumen ein Auge ausquetschte, weil der ihn angeblich beim Würfelspiel betrogen hatte.
Niemand hinderte ihn daran, zu gehen und seinen Rappen wieder abzuholen. Er ritt durch dasselbe Stadttor wieder hinaus, durch das er Magdeburg betreten hatte, und folgte Ottos kleinem Heer.
Die Kolonne rastete gerade, als er sie einholte. Christian trieb seinen Hengst nach vorn, bis er den Hauptmann von Ottos Leibwache entdeckte. Nur der Umstand, dass er in Ekkeharts Schuld stand, weil dieser Marthe gerettet hatte, hielt ihn davon ab, den anderen zum Zweikampf zu fordern.
Verächtlich warf er ihm die Waffen der Attentäter vor die Füße. »Das hast du in Magdeburg verloren!«
Dann lenkte er den Rappen um und ritt zu seinen Männern.
Es war nun schon November, nasskalt und rauh, und diese Witterung während nicht enden wollender Reisetage im Sattel machte Otto so sehr zu schaffen, dass er kurz vorm Ziel beschloss, nicht noch einen Tag länger bis nach Meißen zu reiten, sondern Richtung Christiansdorf abzubiegen.
»Eure Frau soll sich um meine schmerzenden Glieder kümmern, und ich kann mich bei der Gelegenheit gleich davon überzeugen, wie gut mein Sohn und Erbe seine Sache macht«, verkündete er Christian, den er während einer Rast zu sich hatte rufen lassen, um ihm diese Entscheidung mitzuteilen.
Christians Befürchtungen, was Ottos Erstgeborener während seiner zeitweiligen Herrschaft über sein Dorf wohl angestellt haben mochte, um den ihm ausgelieferten Menschen das Leben schwerzumachen, waren mit jedem Tag gewachsen, den sie sich dem Dorf näherten. Er hoffte inständig, dass Marthe diese Zeit ohne Gefahr für Leib und Leben überstanden hatte.
So gesehen, konnte es nur von Vorteil sein, dass Otto in Christiansdorf haltmachte, auch wenn es mittlerweile wahrscheinlich schwierig werden würde, so viele Männer zusätzlich für eine Weile zu verköstigen. Vor den Augen seines strengen Vaters würde Albrecht wohl
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