Die Entscheidung der Hebamme
für einen Augenblick an, dann schüttelte sie den Kopf. »Die kleine Mathilde wird mir ewig ein Rätsel bleiben.«
Beide Frauen lächelten angesichts dieser Formulierung, die nicht einer gewissen Ironie entbehrte. Zwar war Mathilde, die Tochter des englischen Königs Heinrich Plantagenet und seiner Gemahlin Eleonore von Aquitanien, kaum elf Jahre alt gewesen, als sie vor zwölf Jahren mit dem viel älteren Heinrich verheiratet wurde, aber inzwischen überragte sie ihren stämmigen Ehemann um eine halbe Handspanne.
Hedwig erinnerte sich noch genau, was ihr durch den Kopf ging, als sie die normannische Kindfrau zum ersten Mal gesehen hatte, im Sommer 1168 auf dem Hoftag zu Würzburg. Damals stand Mathilde klein und eingeschüchtert an der Seite ihres Gemahls, anscheinend weit weniger vom Glanz des Hoftages als von der Präsenz des breitschultrigen Herzogs an ihrer Seite beeindruckt. Jedermann hatte erwartet, dass sie tatkräftig an seiner Seite mitregieren würde, wenn sie erst etwas älter und das Brautlager vollzogen war.
Doch obwohl sich Heinrich alle Mühe gab, ihr zu gefallen, Sänger und Dichter an seinen Hof holte – nie hörte man davon, dass Mathilde versuchte, Einfluss auf ihn zu nehmen, und schon gar keinen mäßigenden Einfluss, wie es angebracht gewesen wäre.
»Anscheinend hat sie nichts vom Temperament ihrer Eltern geerbt«, sprach die Kaiserin aus, was beide dachten. Denn Heinrich von England und Eleonore von Aquitanien führten seit Jahren einen offenen Krieg miteinander, bei dem die Königin von ihrem Gefangenenquartier aus sogar ihre Söhne zur offenen Rebellion gegen den Vater aufgestachelt hatte.
»Mathilde hätte es in der Hand«, sagte Beatrix bedauernd. »Aber sie lehnt es ab! Ich bot ihr geheime Verhandlungen an, doch sie ließ mich wissen, dass sie stets den Entscheidungen ihres Gemahls folgen werde und ihr Platz an seiner Seite sei.«
Sie schüttelte verständnislos den Kopf. »Ihre Mutter kann es nicht gewesen sein, die ihr so viel Gehorsam gegenüber Ehemännern beigebracht hat. Sollte sie sich wirklich in diesen sturen, aufbrausenden, machtbesessenen Mann verliebt haben?«
Das vermochte sich auch Hedwig schwer vorzustellen.
»Vielleicht fürchtet sie sich vor ihm?«, überlegte sie laut. Es brauchte Mut, sich als Frau in die Geschäfte der Männer einzumischen. Wer nicht wohldurchdacht vorging, riskierte nicht nur den Zorn seines Gemahls, sondern auch dessen Ansehen bei den Gefolgsleuten.
»Dann wird ihre Ängstlichkeit viele gute Männer das Leben kosten«, konstatierte die Kaiserin bitter. »Andererseits hätten wohl auch wir beide Mühe, diesen Starrkopf zum Einlenken zu bringen. Also werden die Waffen sprechen. Deshalb bitte ich Euch, sorgt mit allem Geschick dafür, dass die Markgrafen von Brandenburg und Meißen entschlossen an der Seite des Kaisers kämpfen! Sie werden es nicht bereuen.«
Hedwig hatte viel Stoff zum Nachdenken, als sie in das Quartier ging, das ihr und ihrem Mann während des Hoftages zugewiesen worden war. Schon von draußen hörte sie laut dröhnende Männerstimmen.
In der Kammer fand sie dann auch die Szene vor, die sie erwartet hatte: Ihr Mann und ihr ältester Bruder waren dabei, sich zielstrebig zu betrinken.
»Der Kaiser kann keine starken Männer mehr um sich vertragen«, tönte der Meißner Markgraf mit schwerer Zunge. »Erst sserhackt er die Herzogtümer in kleine Stücke, dann verteilt er ssie an die größten Versager.«
Hedwig war dankbar, dass Ottos Stimme schon undeutlich geworden war. Was, wenn ein Lauscher draußen weitertrug, was die beiden hier von sich gaben?
»Stimmt«, bestätigte ihr Bruder, der dem Wein wohl ebenso kräftig zugesprochen haben musste, auch wenn er ihn besser vertrug, und hieb dem Schwager auf die Schulter.
Dietrich, der an eine Wand gelehnt stand und skeptisch auf die beiden Trinkfreudigen schaute, wechselte einen kurzen Blick mit Hedwig und mahnte eindringlich: »Seid vorsichtig! Hier haben die Wände Ohren!«
»Iss doch wahr!«, nuschelte Otto von Meißen.
»Und spätestens, wenn der kleine Bernhard vor Goslar versagt, wird dem Rotbart das leidtun«, bekräftigte Otto von Brandenburg.
Seine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen, als er meinte: »Der Krieg wird die Harzer Bergleute in Scharen zu dir treiben, Schwager. So wirst du noch reicher! Sie werden dich auf Knien anflehen, nach Christiansdorf kommen zu dürfen. Denk an meine Worte!«
Krachend stießen die beiden Ottos ihre Pokale zusammen
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