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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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zu erobern, die der Geächtete nicht freiwillig ausliefert.«
    Die meisten der zum Krieg Gerufenen blickten kampfeslustig, manch einer brachte mit Rufen seine Zustimmung zum Ausdruck. Niemand in diesem Saal glaubte auch nur einen Augenblick lang, dass der Löwe seinen gewaltigen Besitz aus freien Stücken hergeben würde. Und selbst diejenigen unter ihnen, die keine persönliche Rechnung mit dem Welfen offen hatten, mussten daran interessiert sein, dass Heinrich ein für alle Mal entmachtet wurde. Er war zu stark und zu überheblich geworden.
    Außerdem: Vierzig Städte und nahezu siebzig Burgen zählten zu Heinrichs Besitz und waren neu zu verteilen. Sie einzunehmen, versprach jedem Beteiligten üppige Beute.
    Otto stand mit seinen Brüdern unmittelbar neben den Askaniern und hoffte, dass der Kaiser nun endlich die schicksalsträchtige Versammlung für diesen Tag auflösen würde. Seine Beine und sein Rücken schmerzten vom langen Stehen, und seine Laune konnte schlechter kaum sein.
    Doch der Kaiser war zur Überraschung aller noch nicht fertig.
    »Landgraf Ludwig, Herzog Bernhard!«
    Geschmeichelt traten die beiden Adligen hervor, die zu den vorrangig Begünstigten bei der Aufteilung Sachsens zählten: der Thüringer Landgraf Ludwig, dem der Kaiser die Pfalzgrafschaft Sachsen verliehen hatte, und Hedwigs jüngster Bruder Bernhard von Aschersleben. Ihn hatte Friedrich überraschend zum Herzog von Sachsen ernannt – ein Titel, der sich allerdings nur noch auf den östlichen Teil des früheren Herzogtums erstreckte, denn die Kirchenbezirke Paderborn und Köln hatte der Kaiser zuvor abgetrennt und als Herzogtum Westfalen dem Kölner Erzbischof übertragen. Außerdem erlaubte er auch noch den Kirchenfürsten, sämtliche kirchlichen Lehen des Löwen an sich zu nehmen. Bernhard würde als Herzog von Sachsen über deutlich weniger Land herrschen als sein Vorgänger. Und dem Vernehmen nach wollte der Kaiser auch Bayern aufsplittern, ehe er es neu vergab.
    In Erwartung weiterer Befehle knieten Ludwig und Bernhard vor dem Kaiser nieder.
    »Ihr werdet mit Euren Heeren als Erste die Reichsacht gegen den Abtrünnigen vollziehen«, verkündete der Rotbart. »Euch wird von Uns die ehrenvolle und bedeutende Aufgabe übertragen, Goslar zu schützen.«
    Otto konnte nicht verhindern, dass sich ein verächtlicher Ausdruck auf seinem Gesicht ausbreitete.
    Die Verteidigung der reichen Kaiserstadt, die Heinrich einst gehört hatte und die ihn wegen der ergiebigen Bergwerke in der Nähe anziehen musste wie ein Honigtopf den Bären, ausgerechnet dem glücklosen Bernhard zu übertragen, der bisher so gut wie jede militärische Auseinandersetzung verloren hatte und sich seine Stammburg Aschersleben hatte niederbrennen lassen, zeugte in seinen Augen nicht gerade von der Weitsicht des Kaisers.
    Ihm war klar, warum Friedrich von allen Askaniern ausgerechnet Bernhard gewählt hatte, um ihn zum Herzog von Sachsen zu machen, und nicht etwa Hedwigs ältesten Bruder Otto, den energischen Markgrafen von Brandenburg. Offenkundig hatte der Staufer aus dem Zerwürfnis mit dem Löwen gelernt und beschlossen, nie wieder einem seiner Vasallen so viel Macht zu übertragen, dass er ihm gefährlich werden konnte. Und Hedwigs ältester Bruder – ganz der Erbe seines Vaters, Albrechts des Bären – hätte vielleicht das Zeug dazu. Aber das Schicksal Sachsens und Goslars in die Hände des glücklosen Bernhard zu legen? Welch eine bizarre Idee!
    Der Meißner Markgraf konnte zwar von seiner Position aus in dem übervollen Saal nicht mitbekommen, wie sein Schwager auf diesen Auftrag reagierte, aber auf jeden Fall musste er den Kaiser erzürnt haben.
    Friedrich zog die Augenbrauen zusammen und blickte finster auf den neuernannten Herzog von Sachsen, während die Kaiserin geradezu verächtlich auf Bernhard herabsah.
    »Habt Ihr irgendetwas gegen Unseren Beschluss einzuwenden,
Herzog?
«
    Das letzte Wort betonte der Kaiser auf eine Art, die unmissverständlich ausdrückte, er könne die Ernennung umgehend wieder rückgängig machen.
    Auch von der leise gesprochenen Antwort Bernhards konnte Otto kaum etwas verstehen.
    »Das war keine Bitte, sondern ein Befehl«, erwiderte der Kaiser mit Schärfe. Bernhard fuhr zusammen, verneigte sich und zog sich mit Friedrichs Erlaubnis zurück auf seinen Platz.
    »Nun ist es an Euch, dem Kaiser Eure Treue und Dankbarkeit zu beweisen«, konnte sich Erzbischof Philipp nicht zu sagen verkneifen, der mit dem heutigen Tag auch noch

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