Die Entscheidung der Hebamme
kann.«
»Und ich habe meinen Bruder gebeten, dem Ritter die Heirat mit mir anzutragen, dem mein ganzes Herz gehört«, erklärte Adela mit schwärmerisch leuchtenden Augen. Dann zog sie einen Schmollmund. »Er sagt, ich soll ihn mir aus dem Kopf schlagen, weil er kein Lehen hält, und er würde mich noch dieses Jahr mit einem Mann verheiraten, der wohlhabend und einflussreich ist. Aber der ist bestimmt steinalt und hässlich!«
Bekümmert senkte sie den Blick und drehte eine ihrer blonden, lockigen Strähnen um den Zeigefinger.
Ich glaube, ich sollte Lukas eine Warnung zukommen lassen, dachte Marthe.
Zwar bedauerte sie die Mädchen wegen des ihnen zugedachten Schicksals. Doch dagegen tun konnte sie nicht das Geringste. Weder Lucardis’ Vater noch Adelas Bruder, der nach dem Tod des Vaters ihr Vormund war, würden sich von dem Argument umstimmen lassen, dass die Mädchen keine Liebe für ihre künftigen Ehemänner empfanden.
Liebe galt nicht als Grund für eine adlige Hochzeit, sondern eher als Hindernis, da sie die Beteiligten davon abhielt, mit klarem Verstand abzuwägen, wer wie viel Land oder Silber zu dieser wichtigen Verbindung beisteuerte. Die Liebe würde sich in einer guten Ehe schon mit der Zeit einstellen, hieß es gemeinhin. Und es war nichts Ungewöhnliches, dass der Mann zwanzig oder gar mehr Jahre älter als die Braut war. Schließlich musste er seine künftige Familie auch ernähren können.
»Vielleicht kann Euch die Dame Hedwig helfen«, war der einzige vage Ausweg, den Marthe vorschlagen konnte. »Ansonsten betet, dass der Herr Euch einen freundlichen und gutaussehenden Gemahl schenkt.«
Die Mädchen senkten gehorsam die Köpfe. Doch als sie sich entfernten, sah Marthe, dass die beiden einen Blick tauschten, der ganz und gar nicht darauf hindeutete, dass sie sich in ihr Schicksal dreinfinden würden.
»Ich muss ihn dazu bringen, dass er um meine Hand anhält!«, hörte sie Adela wispern, als die beiden schon ein paar Schritte entfernt waren.
Lukas, du solltest besser künftig keinen Schritt mehr allein tun, sofern du nicht diese blonde Kleine heiraten willst, dachte Marthe.
Ottos Haushofmeister rief zum Mahl, und wie neuerdings üblich, ging dem Essen eine Zeremonie voraus, die er auf dem Hoftag von irgendjemandem aufgeschnappt haben mochte und die Marthe zutiefst zuwider war. Während das Markgrafenpaar jeweils gemeinsam mit dem Haushofmeister und Ekkehart als Befehlshaber, deren Frauen sowie einem Geistlichen an der Hohen Tafel Platz nahm, wurde für die Ritter und Damen jeden Tag neu ausgelost, wer mit wem am Tisch ein Paar bilden sollte.
Es kam, was Marthe bereits Tag für Tag auf dieser Reise befürchtet hatte – diesmal wurde sie Giselbert als Tischdame zugeteilt.
Der Feiste, der in den vergangenen Jahren die meisten Haare verloren, aber an Gewicht noch zugenommen hatte, grinste hämisch, als er Marthe seinen Arm reichte, um sie zur Tafel zu führen.
»Welche Freude es mir sein wird, mit Euch meinen Becher zu teilen«, höhnte er und legte seine aufgedunsene rechte Hand über ihre, damit sie sie nicht zurückziehen konnte.
»Lieber verdurste ich, als mit Euch aus einem Becher zu trinken«, zischte sie zurück und zerrte ihre Hand unter seiner hervor.
»Tsss.« Missbilligend schüttelte er den Kopf. »Wo wir doch schon so viel mehr miteinander geteilt haben …«
Er lachte gekünstelt, bevor er sich setzte, sie wie alle anderen auch die Hände falteten und den Kopf zum Tischgebet senkten.
Als das Mahl endlich eröffnet war, sandte Marthe einen hilfesuchenden Blick zu Lukas. Doch dieser war mit einer üppigen Matrone beschäftigt, deren teigiges Gesicht nur ein übereifriger Schmeichler mit den Worten »von vornehmer Blässe« bezeichnen würde. Sie warf ihm verzehrende Blicke zu und machte Anstalten, ihn wie eine verliebte junge Braut mit einem Stück dunklen Wildbrets zu füttern. Lukas schien es zu gelingen, ihr Vorhaben mit einem höflichen Scherz zu vereiteln, denn sie schob sich lächelnd den Fleischbrocken selbst in den breiten Mund, ohne beleidigt zu wirken.
Nicht lange, und Hedwig bereitet dieser neuen albernen Sitte ein Ende, dachte Marthe erleichtert nach einem Blick auf die Markgräfin. Die Fürstin erschien ihr seit dem Hoftag in Gelnhausen tatkräftiger denn je und blickte mit unverkennbarem Widerwillen auf das schamlose Verhalten, das einige der durch das Los gebildeten Paare zeigten: zu tiefe Blicke in den Kleiderausschnitt der Tischdame, von
Weitere Kostenlose Bücher