Die Entscheidung der Hebamme
nehmen – es standen genug Beobachter unweit von ihnen, die darauf achteten, dass es keine Berührung zwischen ihnen gab.
»Sie ist noch zu jung und zu schmal, um eine Geburt zu überleben!«, fuhr Marthe ihn an. »Schlimm genug, dass Ihr darauf keine Rücksicht nehmt! Aber Ihr könnt Gott dafür danken, dass es so ausgegangen ist. Sofern das Kind nicht sehr klein gewesen wäre, hätte sie es wahrscheinlich kaum zur Welt bringen können.«
Und vielleicht würde sie dich weniger fürchten, wenn du ein wenig freundlicher zu ihr wärst, fügte sie in Gedanken an. Doch dies zu sagen, stand ihr nicht zu.
Als sie auf seinem Gesicht immer noch keine Reue entdeckte, sah sie nur noch einen Weg, sein Gewissen zu treffen. »Ist Euch nicht schon eine Frau bei der Geburt Eures Kindes qualvoll gestorben?«
Ekkehart zuckte zurück wie vor einer Viper.
»Als Wehmutter muss ich Euch raten, Euch von Eurer Gemahlin nachts fernzuhalten, bis sie kräftig genug ist, Euch Söhne auszutragen«, hielt sie ihm hart entgegen.
Die flackernden Flammen des Feuers neben ihnen verliehen seinem Gesichtsausdruck etwas Dämonisches, und der Anblick vermischte sich vor ihren Augen mit der Erinnerung daran, wie er sich einst begierig auf sie geworfen hatte, um sie vor den Augen seiner Kumpane zu nehmen. Beinahe wäre sie vor Angst einen Schritt zurückgewichen.
»Du solltest es sein, die mir meine Söhne gebiert«, raunte er mit heiserer Stimme. Er hob den Arm, um nach ihr zu greifen, ließ ihn jedoch wieder sinken, als er den Abscheu auf ihrem Gesicht sah.
»Ihr werdet schon eine Magd oder ein anderes bedauernswertes Wesen finden, an dem Ihr Eure Wollust stillen könnt«, meinte sie verächtlich, drehte sich um und ging.
Cäcilia wurde für den Rest der Reise auf einen Wagen gebettet. Marthe hatte darauf bestanden, dass sie zumindest in den nächsten Tagen auf keinen Fall reiten durfte. Die junge Frau erholte sich körperlich, doch ihr Gemüt blieb düster und verängstigt.
Im Verlauf der Heimreise kamen mehrfach Boten zu Otto, und Marthe fragte sich jedes Mal, ob sie wohl Nachricht von Christian brachten. Als Frau stand es ihr nicht zu, sich danach zu erkundigen. Ekkehart, der als Hauptmann von Ottos Leibwache dabei war, wenn dem Markgrafen Botschaften überbracht wurden, sah seinerseits nicht den geringsten Anlass, ausgerechnet Christians Gemahlin oder dessen Freund ins Bild zu setzen.
Doch als sie sich bereits auf zwei Tagesmärsche dem Kloster Chemnitz genähert hatten und damit das Ende der Reise in greifbare Nähe gerückt war, ließ der Markgraf sie und Lukas zu sich rufen, nachdem der Hofstaat Quartier auf dem Anwesen eines Vasallen bezogen hatte.
»Es gibt Nachricht von Christian«, verkündete er, als sie mit bangem Herzen vor ihm stand.
Christian lebt! Erleichtert atmete Marthe auf.
»Heinrichs Truppen haben tatsächlich die Goslarer Gruben zerstört«, erklärte der Markgraf. »Euer Mann ist mit fast vierhundert Leuten auf dem Weg in die Mark Meißen.«
Marthe riss die Augen auf, und auch Lukas atmete tief durch bei diesen Worten.
Vierhundert Menschen! Sie alle unterzubringen und ihnen Arbeit zu geben, von der sie leben konnten, würde ein schwieriges Unterfangen werden.
Doch um wie viel größer und reicher würde ihr Heimatort, wenn es gelang! Welchen erneuten Aufschwung würde der Silberbergbau nehmen, wenn sie noch mehr Gruben eröffneten!
An Ottos zufriedener Miene konnte sie erkennen, dass der Markgraf sich schon ausmalte, wie ihm diese neue Entwicklung die Truhen mit noch mehr Silber füllte.
Doch wie sollen wir so viele Menschen satt bekommen?, sorgte sich Marthe.
Aus der Erfahrung der Jahre seit Beginn des Bergbaus in Christiansdorf wusste sie, dass ein Erzfund zwar schnell gemutet werden konnte. Doch bis das Erz aus der neuen Grube gewonnen und schließlich Silber daraus geschmolzen war, verging viel Zeit. Und wenn die Truppen des Löwen das Gebiet am Rammelsberg verheert hatten, war ungewiss, ob die Neuankömmlinge überhaupt noch ihren Besitz und irgendwelche Vorräte mitnehmen konnten.
Auch wenn sie eben noch froh gewesen war, für diesen Tag aus dem unbequemen Damensattel gekommen zu sein – am liebsten wäre sie sofort aufgebrochen, um auf schnellstem Weg nach Hause zu gelangen und sich dort mit dem Bergmeister und Mechthild zu besprechen, ja, ihretwegen sogar mit Josef, dem widerlichen Dorfschulzen. Sollte der sich ruhig auch einmal etwas einfallen lassen, wie die Situation zu bewältigen
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