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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Christian diesmal nicht mit auf seine Mission genommen, sondern zu ihrem Schutz bei ihr gelassen hatte.
    Noch nie war ihr eine Reise so lang vorgekommen wie die Rückkehr von Gelnhausen in die Mark Meißen. Und das lag bei weitem nicht an der Strecke, die mehrere Hundert Meilen maß. Bisher hatten sie zumeist gut ausgebaute Handelsstraßen bereist und pro Tag etliche Meilen ohne größere Zwischenfälle bewältigt, sah man davon ab, dass es immer wieder unfreiwilligen Halt gab, weil etwas an den Wagen ausgebessert werden musste, die mit unzähligen Gerätschaften, Kleidertruhen, Proviant und Futter für die Reit- und Zugtiere beladen waren.
    Aber sie vermisste Christian auf dieser Reise und fühlte sich verloren ohne ihn. Obwohl er sonst unterwegs meistens nicht an ihrer Seite sein durfte, weil er zusammen mit den anderen Rittern für das sichere Geleit des Zuges sorgen musste, so hatte sie doch stets die beruhigende Gewissheit seiner Nähe. Lukas gab sich jede Mühe, sie aufzumuntern, doch er konnte sie nur selten sehen. Und mit ihm vermochte sie unmöglich über das zu reden, was ihr derzeit am meisten Furcht einflößte.
    Ihre geheimen Ängste drehten sich diesmal weniger um Christian und Dietrich im Zentrum der befürchteten Schlacht um Goslar, sondern um eine viel nähere Bedrohung. Ohne Christians schützende Präsenz musste sie hier nicht nur Ekkehart ständig in ihrer Nähe erdulden, sondern auch Elmar und seinen feisten Freund Giselbert.
    Die drei Kumpane Randolfs waren vor sechs Jahren in Streit miteinander geraten, als sich Ekkehart nach seiner – später annullierten – Vermählung mit Marthe weigerte, sie im Brautbett auch den anderen zu überlassen. Doch irgendwann nach Randolfs Tod im Zweikampf mit Christian hatten sich die drei wieder ausgesöhnt. Schon die bloße Gegenwart dieser Männer, von denen niemand wissen durfte, dass sie sie einst gemeinsam mit Randolf geschändet hatten, brachte sie zum Schaudern.
    Jäh wurde sie aus ihren düsteren Erinnerungen gerissen.
    Die zwei ältesten ihrer Schützlinge näherten sich ihr mit erwartungsvollen Mienen. Es waren die hübsche, blonde Adela und ihre Freundin Lucardis, die Marthe trotz ihres frommen und sittsamen Gehabes für ziemlich durchtrieben hielt.
    »Dürfen wir Euch etwas fragen, Dame Marthe?«, wisperte Adela, nachdem sie sich mit einem Seitenblick davon überzeugt hatte, dass die anderen Mädchen weit genug entfernt waren, um sie zu hören.
    Als Marthe sie ermutigte zu sprechen, sah sie noch einmal geziert nach links und rechts und flüsterte dann: »Es darf aber niemand davon erfahren!«
    »Nun – wenn Ihr schon Geheimnisse habt, dann solltet Ihr sie für Euch behalten«, beschied ihr Marthe streng, die ahnte, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde. In all den Jahren sollte es sich doch endlich auf dem Burgberg herumgesprochen haben, dass sie nicht die Richtige dafür war.
    »Könnt Ihr uns nicht das Rezept für ein Liebestränklein verraten?«, fragte Adela erwartungsgemäß.
    Marthe seufzte, dann versuchte sie zum hundertsten Mal, so geduldig wie möglich zu erklären, dass sie weder Liebestränke besaß noch welche herstellen konnte und sich mit dergleichen auch nicht befasste.
    »Außerdem bin ich im Zweifel, ob es so etwas wirklich gibt«, erklärte sie. »Was da auf den Märkten verkauft wird, sind zumeist nur höchst fragwürdige Mixturen. Ich bezweifle, dass Ihr die Liebe eines Mannes erringt, wenn Ihr ihm einen Löffel voll von dem Wasser, mit dem Eure Bruche ausgekocht wurde, oder etwas Monatsblut in seinen Wein träufelt.«
    »Das sagt Ihr nur, damit wir Euch niemanden streitig machen«, erwiderte Adela schnippisch, und der verstohlene Seitenblick, den sie dabei auf Lukas richtete, der in der Nähe gerade mit skeptischer Miene den Huf an der Vorderhand eines kostbaren Schimmels besah, rief eine merkwürdige Unruhe in Marthe hervor.
    »Ihr habt ja auch gut reden!«, meinte Lucardis ebenso vorwurfsvoll. »Ihr seid mit einem gutaussehenden Ritter vermählt, der nur ein paar Jahre älter ist als Ihr!«
    Marthe musterte die beiden Mädchen genauer und begann zu ahnen, dass es einen konkreten Anlass für dieses heikle Gespräch gab.
    »Soll eine von Euch gegen ihren Willen verheiratet werden?«, fragte sie mitleidig.
    Die Mädchen sahen sich an.
    »Ich«, sagte Lucardis und schnaubte verächtlich. »Mein Vater will mich einem Mann geben, der fast dreißig Jahre älter ist, nur damit er einen wichtigen Vasallen an sich binden

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