Die Entscheidung der Hebamme
Richtung der Pferdeställe lief. »Hol den Stallmeister und Peter«, sagte er, und nach einem tiefen Knicks hastete Raina weiter, redlich bemüht, jeden Blick in Lukas’ Richtung zu vermeiden.
Ihre Ehe mit dem Großknecht, zu der Pater Sebastians angsteinflößende Predigten über ewige Verdammnis und die Qualen der Hölle sie getrieben hatten, war alles andere als glücklich. Nicht, dass er sie schlug – dafür hätten ihm Christian und Lukas die Hölle heiß gemacht. Über seine Grobheit im Bett und die Gleichgültigkeit, mit der er sie nahm, konnte sie sich bei niemandem beschweren. Obwohl sie abends todmüde war von der harten Arbeit, weinte sie sich manchmal lautlos in den Schlaf, wenn sie an Lukas’ Zärtlichkeiten und die Freude dachte, mit der er ihren Körper und ihre Zuneigung genossen hatte. Aber was geschehen war, ließ sich nicht mehr ändern. So gern sie auch weiterhin Lukas’ Lager geteilt hätte, als Ehefrau durfte sie das nicht mehr. Den einzigen Trost bot ihr neben ihrem Sohn der Gedanke, dass sie sich mit dem Kummer, den ihr die Heirat mit dem derben Großknecht eingebracht hatte, vielleicht einen Platz im Himmelreich erkaufen konnte.
Christians Freund und die Knappen hatten inzwischen ihre Waffenübungen eingestellt. Die beiden Burschen warteten wie befohlen auf ihren Plätzen, während Lukas mit fragendem Gesichtsausdruck zu Christian, Marthe und Clara trat.
Im nächsten Moment war der alte Stallmeister bei ihnen, an seiner Seite Peter, nun schon seit mehr als zehn Jahren in Christians Diensten und nach wie vor der Anführer einer Bande, die manch abenteuerlichen Auftrag für den Burgvogt und seine Vertrauten übernahm.
Aus dem mageren Jungen war inzwischen ein junger Mann von achtzehn Jahren geworden, mit ungebrochener Autorität unter den Burschen des Dorfes wegen der Geschicklichkeit im heimlichen Beobachten und Übermitteln von Nachrichten, die er sich als Beutelschneider erworben hatte, und durch seine Treue zum Burgvogt.
»Ich brauche ab sofort Peter und alle, die er sich dazu noch aussucht, für eine besondere Aufgabe«, informierte Christian den Stallmeister.
»Wie Ihr wünscht, Herr.«
Mit Christians Erlaubnis ging er zurück zu den Pferden, während Peter gespannt auf Order wartete. Was für ein Auftrag würde es diesmal sein?
»Nimm dir alle von deinen Burschen, die du auftreiben kannst, und haltet Ausschau auf sämtlichen Wegen, die ins Dorf führen. Wenn ihr etwas Außergewöhnliches bemerkt, komm sofort und sag Bescheid!«
Peter grinste. »Ihr könnt Euch ganz auf uns verlassen, Herr!«
»Das weiß ich«, erwiderte Christian mit großer Ernsthaftigkeit.
Peter schluckte und hatte Mühe, sich seine Freude über das Lob nicht allzu offenkundig ansehen zu lassen. Dann ließ er den Blick kurz über den Hof schweifen, um Ausschau nach seinen Freunden zu halten.
»Ihr erlaubt?«, fragte er Christian, der wusste, was nun kam, und zustimmend nickte. Auf zwei Fingern stieß Peter einen gellenden Pfiff aus, der den in seiner Nähe Stehenden in den Ohren schrillte.
Es dauerte nur ein paar Augenblicke, bis gut ein Dutzend Burschen zu ihnen gerannt kamen, der junge Christian zuerst, der wohl schon auf der Lauer gelegen hatte. Wenig später liefen auch eine kleine Küchenmagd und Anna, Peters jüngere Schwester, herbei.
Peter schickte die Mädchen zurück an ihre Arbeit und ließ die Jungen ausschwärmen, um Verstärkung zu holen. Längst gehörten neben den Burschen aus den Gruben auch die Söhne der beiden Schmiede zu ihnen; Jonas’ Ältester Johann war inzwischen neben dem jungen Christian Peters engster Vertrauter und Mitanführer.
Sie würden keine Zeit verlieren und den Auftrag des Burgvogtes in aller Gewissenhaftigkeit ausführen.
»Ruf die Ritter zusammen, sie sollen die Rüstung anlegen und sich bereithalten. Ich informiere inzwischen Walther«, verabredete Christian mit Lukas. Mit eiligen Schritten gingen die Männer davon.
Marthe und Clara blieben allein auf dem Hof stehen und wechselten einen Blick. Nun blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten.
Die Mägde waren bereits dabei, in der Halle die Tische für das Spätmahl aufzubauen, als Peter wie aus dem Nichts vor Christian auftauchte.
Den ganzen Tag über waren in regelmäßigen Abständen immer wieder ein paar flinke Späher zu ihm gerannt gekommen, um Bericht zu erstatten und sich danach anscheinend wieder in Luft aufzulösen. Aber bisher hatte sich nichts Beunruhigendes oder anderweitig
Weitere Kostenlose Bücher