Die Entscheidung der Hebamme
Feigling!«, brüllte Lukas. Dann drehte er sich kurz um und wies auf das Dutzend Ritter hinter ihm. »Gegen uns alle habt ihr keine Chance. Lass es uns austragen von Mann zu Mann!«
Ekkehart überlegte nicht lange. Mochte der Habenichts auch Christians Schüler gewesen sein – er hatte ihm ein Dutzend Jahre Kampferfahrung voraus. Und wenn der Kerl erst einmal röchelnd vor ihm im Staub lag, war sein Sieg endgültig – über Christian, Marthe und deren letzte paar Anhänger, die hier vor ihm standen und sich aufspielten.
Er gab seinen Männern das Zeichen, zurückzutreten, dann winkte er Lukas höhnisch zu sich heran.
»Komm schon, Bursche! Gleich kannst du Christian in der Hölle von mir grüßen. Hättest die schöne Witwe wohl vorher selbst noch gern bestiegen?«
Seine letzten Worte waren noch nicht einmal ganz heraus, da stürzte Lukas schon mit Wutgeheul auf ihn zu. Er hieb so schnell hintereinander mit kurzen Schlägen auf Ekkehart ein, dass dieser nicht einmal dazu kam, selbst auszuholen.
Er brauchte keine fünf Hiebe, um den Gegner tödlich zu treffen. Mit gespaltenem Schädel stürzte Ekkehart zu Boden.
Schwer atmend sah Lukas auf den blutigen Leichnam zu seinen Füßen.
»Haltet seine Männer in Schach!«, rief er Raimund und den anderen Rittern zu, die ihn begleitet hatten. Schon rannte er mit riesigen Schritten zum Wohnturm.
Nach den Schreckensbildern, die Ekkeharts gehässiges Eingeständnis bei ihm hervorgerufen hatte, wollte er nicht, dass jemand außer ihm Marthe so sah, wie er sie vorzufinden befürchtete.
Immer noch das blanke, blutige Schwert in der Hand, trat Lukas die Tür auf, hinter der Marthe sein musste, und erstarrte.
Der Anblick erschütterte ihn so sehr, dass er für einen Moment nicht wusste, was er tun oder sagen sollte. Sie war nackt ans Bett gefesselt, das Haar aufgelöst, im Gesicht, an den Armen und auf dem Körper sah er selbst aus dieser Entfernung noch die Spuren der Misshandlung, während sie voller Scham, doch vergeblich versuchte, ihre Blöße zu bedecken.
Dann ließ er sein Schwert fallen und stürzte auf sie zu. Hastig bedeckte er ihren nackten Leib mit dem Laken, schnitt ihre Fesseln durch, versuchte, den Blutfluss in ihren angeschwollenen Handgelenken wieder in Gang zu bringen und dabei nicht auf ihren geschundenen Körper zu sehen.
»Es tut mir so leid«, sagte sie und begann zu weinen.
»Du bist nicht schuld, er hat dir das angetan«, erwiderte er mit Nachdruck. »Und dafür hat ihn die einzige gerechte Strafe getroffen. Er wird in der Hölle dafür büßen.«
Lukas sah sich um, ob irgendwo Krug und Becher standen, und drängte Marthe einen kräftigen Schluck Wein zur Stärkung auf. Mit bebenden Fingern versuchte sie, das Laken enger um ihren Leib zu ziehen, bevor sie den Becher nahm. Lukas suchte nach ihrem Kleid, doch auf dem Boden lagen nur die zerschnittenen Fetzen ihres Trauergewandes. Davon war nichts mehr zu retten.
Kurzentschlossen klappte er den Deckel einer Truhe hoch, die gegenüber dem Fenster stand. Er hatte richtig vermutet, zwischen Beinlingen und Untergewändern lagen darin auch mehrere Kleider. Etwas unentschlossen hielt er sie einzeln hoch und warf einen fragenden Blick zu Marthe.
»Das wird es tun«, entschied sie schließlich und wies mit dem Kinn auf ein schmales Obergewand in gedeckten Farben.
Lukas zögerte einen Moment, es ihr zu geben.
»Wenn du Anklage wegen Notzucht erheben willst, müsstest du in den zerrissenen Kleidern vor den Richter treten.«
So, wie er es sagte, war es eine Frage, und sie musste nicht lange über eine Antwort grübeln. »Wozu? Er ist tot. Und ich will die Schande nicht noch bekannter machen. Ich will, dass es vorbei ist.«
Sie begann zu weinen, und Lukas wollte sie tröstend in seine Arme schließen, doch er merkte, dass sie vor der Berührung zurückschreckte.
Beklommen legte er ihr das Kleid aufs Bett und drehte sich um, damit sie sich ankleiden konnte.
Dann erst schien sie plötzlich den Sinn seiner Frage zu verstehen. »Otto wird dich bestrafen, weil du seinen Hauptmann getötet hast, wenn du nicht Notzucht als Grund angeben kannst!«, flüsterte sie erschrocken.
»Mach dir keine Sorgen um mich«, versuchte er sie zu beruhigen. »Er hat schließlich vor einem Dutzend Ritter damit geprahlt.«
Entsetzt sah Marthe ihn an, dann schlug sie die Hände vors Gesicht.
»Jetzt muss ich ins Kloster, wenn sie mich dort überhaupt aufnehmen. Dir lässt Otto zur Strafe die Hand abschlagen oder dich
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